Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
flüsterte er, und erneut rann Blut aus Andros Mundwinkeln. »Niemals! Hast du … verstanden?«
Jonathan konnte nicht fassen, dass sich Andro Sorgen um einen Teddy machte. »Ja, gut«, sagte er.
»Schwör es mir«, keuchte Andro, und ein rasselndes Geräusch löste sich aus seinem Brustkorb.
»Ich schwöre«, erwiderte Jonathan und hielt eine Hand aufs Herz.
In diesem Moment bäumte Andro sich auf, dann schloss er die Augen, brach zusammen und regte sich nicht mehr.
»Andro«, sagte Jonathan, und seine Stimme war vor Angst ganz brüchig. »Andro, geh nicht.« Er schaute auf Andros Brustkorb, er hob sich nicht mehr.
»Lebt er noch?«, hörte er die Stimme des Constable neben sich.
Jonathan konnte nicht sprechen.
Auch Dr. Jones kam herunter und kniete sich mit seinem Arztkoffer neben Andro. Er hob Andros Handgelenk und fühlte nach dem Puls. Nach ein paar Sekunden ließ er das Handgelenk des Kroaten auf dessen Brust sinken. »Er ist tot«, sagte er. Der Arzt tastete Andros Rippen ab. »Er hat innere Verletzungen«, sagte er.»Die Rippen sind gebrochen. Sie haben zweifellos seine Lunge durchstochen. Er muss unglaubliche Schmerzen gehabt haben.«
»Was für eine Tragödie, dass er in seine eigene Mine gefallen ist«, sagte Will.
»Er ist nicht gefallen«, sagte Jonathan wütend. »Bojan hat ihn in die Mine gestoßen.«
»Haben Sie gesehen, wie es passiert ist?«
»Ja, und all die Schaulustigen da oben auch.«
»Einer der Männer hat mir gerade erzählt, dass Andro gestürzt ist«, sagte Will Spender.
»Das ist er nicht. Bojan hat ihn gestoßen, und er ist rücklings in die Mine gefallen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
»Das ändert die Sachlage allerdings«, sagte der junge Constable. Wenn das stimmte, musste er Bojan festnehmen und verhören. Falls jemand Jonathans Version der Vorkommnisse stützte, könnte Bojan wegen Mordes verhaftet werden.
An das, was danach geschah, konnte sich Jonathan kaum erinnern. Irgendwie schaffte er es zurück zu Marlee, nahm sie in die Arme und versuchte, ihr so vorsichtig er konnte zu erklären, was passiert war. Er hielt sie, während sie um ihren Daddy weinte, und versicherte ihr, er werde sich um sie kümmern. Die Verantwortung, nun dauerhaft für Marlee zu sorgen, ihr Vormund zu werden, wog schwer. Doch ein Versprechen war ein Versprechen, und Jonathan wusste, dass er es halten würde.
»Alle in der Stadt reden über eine Schlägerei auf den Opalfeldern gestern Nacht, und nach allem, was ich im Laden gehört habe, ist dieser furchtbare Bojan Ratko in die Sache verwickelt«, berichtete Erin ihrem Onkel aufgeregt, als sie am folgenden Vormittag mit einem Brief von Bradley von der Post zurückkam. Sie machte sich daran, den Brief zu öffnen. »Constable Spender hätte ihn verhaften sollen, als ich ihm das nahelegte. Der Kerl ist offenbar ein Unruhestifter, der sich mit jedem anlegt.«
»Ich habe auch von der Schlägerei gehört, es heißt, Bojan sei verhaftet worden«, sagte Cornelius. »Offenbar musste Constable Spender ihm mit der Waffe drohen, um ihn ins Gefängnis bringen zu können.«
»Das überrascht mich nicht«, erwiderte Erin. »Es wäre für alle das Beste, wenn er dauerhaft eingesperrt bliebe. Nur … ich bezweifle, dass eine Schlägerei auf den Opalfeldern eine ernste Straftat ist.«
»Er wurde wegen Mordes verhaftet.«
Erin holte hörbar Luft. »Wegen Mordes!«
»Als du weg warst, ist ein Kunde gekommen. Offenbar endete die Schlägerei mit dem Tod von Andro Drazan.«
»Andro Drazan? Das habe ich gar nicht gehört. Ist er nicht der Vater der kleinen Marlee?«
»Ja. Jetzt hat das arme Kind Mutter und Vater verloren«, sagte Cornelius.
»Was wird nun mit ihr?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hatte Drazan Familie.«
»Das hoffe ich sehr«, gab Erin zurück.
Sie setzte sich an den Küchentisch, um den Brief von Bradley zu lesen.
Liebe Erin,
es war so wunderbar, von Dir zu hören. Und wie schön, dass Du Dich an das doch offenbar sehr ungewöhnliche Leben in Coober Pedy gewöhnt hast. Ich habe überhaupt keine Vorstellung von einem Ort wie diesem. Ich musste Dad erzählen, dass Du mit Onkel Cornelius in Australien bist, denn er hat sich so große Sorgen gemacht, dass er einen Privatdetektiv engagieren wollte, der nach Dir suchen sollte. Einzelheiten habe ich ihm nicht erzählt, aber dass Du mit einem Verwandten unterwegs bist, war ihm ein großer Trost. Ich bin sicher, er würde sich über einen Brief von Dir sehr freuen.
Du wolltest wissen,
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