Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
wie es mit den Galerien läuft. Seit Du weg bist, gehen die Geschäfte leider gar nicht mehr gut. Ich würde gern sagen, dass es nur ein Rückgang der Verkaufszahlen ist, doch das ist nicht al l es. Dad vernachlässigt die Arbeit. Anfangs waren Deinetwegen täglich Reporter vom Herald in der Galerie, also hat Dad das Geschäft einfach geschlossen. Nach einiger Zeit haben sich die Reporter auf eine andere Story gestürzt. Ich dachte, danach würde alles wieder so laufen wie vorher, aber so ist es nicht. Die Galerie in Knightsbridge ist nur ein paar Stunden am Tag geöffnet. An den Wochenenden fahren Dad und Lauren aufs Land oder ins Ausland. Manchmal fahren sie schon freitags los, dann bleibt die Galerie drei Tage geschlossen. Und Du weißt ja, der Samstag ist unser bester Verkaufstag. Ich habe angeboten zu öffnen, wenn Dad weg ist, das lehnt er allerdings ab. Dass Dad Laurens Vorschlag gefolgt ist und die Filiale in Whitechapel an Phil verpachtet hat, wird Dir sicher nicht gefallen. Dieses Arrangement tritt Ende des Monats in Kraft. Phil möchte, dass ich mich weiterhin um die Lieferungen kümmere, also werde ich wenigstens noch für ihn arbeiten.
Liebe Erin, ich glaube, es wird Dich nicht allzu sehr überraschen, doch neulich habe ich Lauren dabei erwischt, wie sie in unseren Geschäftsbüchern schnüffelte. Ich habe es Dad erzählt, ihm schien das jedoch nichts auszumachen. Jetzt misstraue ich ihr nur umso mehr. Was ich auch sage, Dad lässt sich nicht überzeugen, dass sie niedere Motive hat. Ich fürchte, er wird sie bald bitten, ihn zu heiraten.
Tut mir leid, dass ich keine besseren Neuigkeiten habe. Bitte schreib bald mal wieder, denn ich vermisse Dich schrecklich.
Alles Liebe, Bradley
Erin faltete den Brief zusammen.
»Und? Wie steht es in London?«, fragte Cornelius.
»Nicht so gut«, antwortete Erin. Sie wollte die Gefühle ihres Onkels nicht verletzen und beschloss deshalb, Lauren nicht zu erwähnen. »Die Geschäfte laufen im Moment etwas schleppend«, sagte sie ausweichend.
»Dein Vater ist sicher abgelenkt und vernachlässigt die Galerien«, bemerkte Cornelius, der den Unterton in ihrer Stimme wahrnahm. »Das überrascht mich nicht.« Doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. Er wollte nicht über Lauren reden,weil ihn das nur wütend machte. »Meinst du, Erin, dass du hier ein paar Tage ohne mich zurechtkommst?«, fragte er.
Einen Moment war Erin perplex. Er hatte sie stets beim Kauf von Opalen überwacht und sie für die Genauigkeit ihrer Schätzungen gelobt, sie hätte jedoch nicht gedacht, dass er ihr zutraute, das schon allein zu schaffen. »Fährst du irgendwo hin?«
»Der Minenarbeiter, der vorhin hier war, bat mich, morgen mit ihm nach Andamooka zu fahren. Offenbar lebt sein Bruder dort, und er soll wirklich gute Opale zu verkaufen haben.«
Nie im Leben wäre es Cornelius in den Sinn gekommen, Erin allein zu lassen, doch nun, da er von Bojans Verhaftung erfahren hatte, sah das anders aus. Während ihre Kunden sich in der Gegenwart von Männern wie Rüpel benahmen, zeigten sie sich seltsamerweise in Erins Nähe von ihrer besten Seite. Cornelius sah ihnen fasziniert zu, wie sie den »Gentleman« unter der rauen Schale mimten.
»Aha.«
»Ich will höchstens drei Tage wegfahren, aber wenn du glaubst, du kommst allein nicht zurecht, bleibe ich natürlich hier.« Er hatte vor, Will Spender zu bitten, nach Erin zu sehen, falls sie einverstanden war.
»Ein paar Tage komme ich schon klar, Onkel Cornelius. Wenn mir ein Minenarbeiter etwas ganz Unbekanntes anbietet, kann ich ihn immer noch bitten, noch mal vorbeizukommen, wenn du wieder da bist.«
»Das wollte ich auch gerade vorschlagen. Du könntest ja mit uns nach Andamooka fahren, wir nehmen allerdings einen Geländewagen, in dem es nur zwei bequeme Sitze gibt. Wir könnten dich bestimmt irgendwie hineinquetschen, aber die Straßen sind in keinem sonderlich guten Zustand, die Fahrt würde also eher unbequem sein.«
»Fahr du nur. Ich komme schon klar«, sagte Erin.
17
Bradley kam gerade die Treppe vom Dachboden seines Elternhauses herunter, als er Lauren in der Küche entdeckte. Sie stand, anscheinend unentschlossen, am Telefon, dann griff sie nach dem Hörer und wählte eine Nummer. Verstohlen sah sie über die Schulter, wohl um sicherzugehen, von niemandem beobachtet zu werden. Bradley duckte sich rasch in eine Nische in der Diele.
»Ich bin’s«, sagte Lauren leise, als jemand am anderen Ende der Leitung ihren Anruf
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