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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hier«, sagte Tommy zu Jonathan.
    Er ging und stellte sich den Männern vor, die ihm mit Gesten zu verstehen gaben, dass er sich zu ihnen setzen solle, und die Frauen entfernten sich vom Feuer. Jonathan, der nicht wusste, was er tun sollte, setzte sich ebenfalls und sah Tommy und den Männern zu, die eine Weile miteinander redeten.
    Der Feuerschein erhellte die Gesichter der Ältesten, die von tiefen Furchen durchzogen und von grau melierten Bärten bedeckt waren. Es ist etwas Ehrfurchtgebietendes an ihnen, dachte Jonathan. Wenn die Männer Tommy ansahen, schienen ihre Augen von Weisheit zu leuchten. Nun sahen sie zu ihm herüber, und er hatte das Gefühl, dass sie ihm direkt in die Seele schauen konnten.
    Tommy winkte ihn heran, und Jonathan trat vor. Als die Männer ihn musterten, blieb er still. Er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Jonathan hörte, dass Tommy Marlees Namen erwähnte, und dann folgte eine lange Debatte. Anschließend gab Tommy Jonathan mit einer Geste zu verstehen, er solle sich zu ihnen ans Feuer setzen. Er erzählte Jonathan, dass die Ältesten glaubten, Marlees Mutter gehöre zum Anangu-Stamm aus dem Gebiet des Ayers Rock.
    »Das ist durchaus möglich«, sagte Jonathan. »Ich habe gehört, dass …«, beinahe hätte er ihren Namen gesagt, »ich weiß, dass Marlees Mutter Ayers Rock erwähnte, wenn sie Geschichten von ihrer Familie erzählte.«
    Tommy übersetzte für die Ältesten. Sie alle stimmten zu und schienen froh, dass sie zur richtigen Schlussfolgerung gelangt waren.
    »Bitte fragen Sie, ob … ob Marlees Mutter Verwandte hat«, bat Jonathan.
    Tommy sprach mit den Ältesten, die nickten. Einer der Männer hatte zu dem Thema etwas zu sagen.
    »Sie hat eine große Familie, viele, viele Verwandte«, übersetzte Tommy für Jonathan. »Einer der Ältesten glaubt, dass ihre Mutter noch lebt, ihr Vater aber nicht. Sie hat etliche Geschwister, Tanten und Onkel auf Anangu-Gebiet.«
    Jonathan war erleichtert. Jetzt musste er eine schwere Entscheidung fällen, eine, die das Leben des kleinen Mädchens für immer verändern konnte.

20
    Als Jonathan ins Camp zurückkam, saß Clementine am Feuer. Er setzte sich zu ihr und erzählte, was er herausgefunden hatte.
    »Wollen Sie Marlees Familie ausfindig machen?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Jonathan. »Ich muss es mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen.«
    Vor seinem geistigen Auge sah er Marlees Gesicht, als sie mit den Aborigine-Kindern in deren Lager gespielt hatte. Auch wenn da eine Sprachbarriere war, hatte sie in ihrer Gesellschaft fröhlich und entspannt gewirkt, als wäre sie an einem Platz, an den sie gehörte. Daran musste er immer wieder denken. Dann dachte er auch wieder daran, wie klug sie war und wie wertvoll Bildung und Erziehung für sie wären. Er wollte nur das Beste für sie. Nur was das war, wusste er nicht.
    Als Clementine fort war, schrieb Jonathan einen Brief an Liza. Er erzählte ihr darin von Marlee und von den Entscheidungen, die er die Zukunft des Kindes betreffend fällen musste. Es tat gut, jemandem sein Herz auszuschütten, dem er sich so nah fühlte, auch wenn es nur mittels eines Briefes möglich war und die Adressatin eine halbe Reise um die Welt entfernt. Es half ihm, die Dinge für sich klarzubekommen.
    Am nächsten Morgen, Jonathan hatte seinen Brief an Liza gerade in den Postkasten geworfen, traf er Erin in der Stadt.
    »Warum ist Marlee nicht in der Schule?«, fragte sie und sah zu der Kleinen, die fröhlich auf eine Bank kletterte, die vor dem Gemischtwarenladen stand.
    »Miss Simpson will sie nicht mehr in der Schule. Offenbar ist sie ein Störfaktor«, sagte Jonathan leise, darauf bedacht, dass Marlee ihn nicht hörte.
    »Was werden Sie jetzt machen?«, fragte Erin besorgt.
    »Ich werde ein Auto kaufen und die Familie von Marlees Mutter ausfindig machen«, antwortete Jonathan. Am Morgen hatte er entschieden, dass es das Beste für die Kleine war. »Ich habe erfahren, dass ihre Großmutter noch am Leben ist und dass sie auch sonst noch viele Verwandte hat.«
    Erin war überrascht. »Wollen Sie Marlee ihrer Familie überlassen?«
    »Das weiß ich noch nicht genau. Sie scheint sich zu den Aborigines hingezogen zu fühlen. Clementine glaubt, es wäre gut, sie statt mit mir mit den Frauen aufwachsen zu lassen, mit denen sie verwandt ist.«
    »Clementine?«, fragte Erin stirnrunzelnd.
    »Sie ist … eine Freundin«, sagte Jonathan verlegen, als er sich daran erinnerte, dass Erin ihn mit

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