Jenseits des Meeres
Mut erforderlich. Mein Bruder und ich stehen tief in Eurer Schuld.“
„So ist es, Megan.“ Colin strich ihr über die Schulter. „Wir werden niemals vergessen, was Ihr für uns getan habt.“
Colin wünschte sich zwar, ihr noch mehr sagen zu können, war jedoch zu müde. Mit größter Mühe wickelte er sich in seinen Umhang und kämpfte gegen seine eigene Schwäche an. Doch seine Erschöpfung war zu groß. Die Augen fielen ihm zu, und er schlief ein.
Megan schniefte ein bisschen, und ihre Worte hörten sich an, als bereitete ihr das Sprechen größte Mühe. „Haltet Ihr mich nicht für zu unerfahren, zu heißblütig und zu starrköpfig?“ Im Stillen fragte sie sich, wieso ihr gerade diese Begriffe einfielen, doch sie war viel zu durcheinander angesichts der ganzen Geschehnisse.
Kieran lachte leise und kehlig. „Genau, Megan! Alles das trifft auf Euch zu. Und dafür bin ich ungemein dankbar.“
Sein Lachen besänftigte sie tatsächlich. Leise seufzte sie und legte Kieran die Arme um die Taille.
Eine Welle der Erregung durchflutete ihn. Gleich darauf fühlte er sich zutiefst beunruhigt. Er verfluchte sich und nannte sich im Stillen einen Narren. Gerade eben waren sie dank dieses Mädchens dem sicheren Tod entronnen, und schon regte sich fleischliche Lust in ihm. Megan wäre gewiss erschrocken, wenn sie wüsste, welche geheimen Sehnsüchte er hatte.
Vor seinem geistigen Auge sah er sie noch immer der Horde wollüstiger Soldaten entgegentreten, ihre Röcke raffen und tanzen. Er hatte sie begehrt wie jeder andere auch. Natürlich könnte er sich einreden, seine Begierde wäre nicht so primitiv wie die der anderen, doch dann würde er lügen.
Er bemühte sich, sein Verlangen zu unterdrücken und sich dafür auf Megans Bedürfnisse zu konzentrieren. „Ihr seid einer der besten Menschen, die mir in dieser grausamen Welt begegnet sind, Megan. Und Ihr seid womöglich die erstaunlichste, großartigste und tapferste Frau, die ich jemals kennen lernte. Bis Ihr Euer Gedächtnis wieder erlangt, verpflichte ich mich, Euch so zu beschützen wie meinen Bruder oder mich selbst.“
Kieran hörte sie leise und regelmäßig atmen, und da merkte er, dass sie keines seiner Worte mitbekommen hatte. Megan entspannte sich langsam in seinen Armen. Ihre an seinen Hals gedrückten Lippen ließen die Begierde umso heißer durch seinen Körper pulsieren.
Behutsam legte Kieran ihr eine Hand an die Wange. Megan schlief fest.
Er könnte die ganze Nacht hier so mit ihr verharren, doch sein Verlangen, das er nicht stillen durfte, würde ihn um den Verstand bringen. Noch immer sah er diesen schlanken, wohlgeformten Körper vor sich, den sie vor ihm enthüllt hatte, als sie sich ihr schmutziges Gewand herunterriss. Dieses Bild würde er so bald nicht mehr vergessen.
Vorsichtig zog er sich zurück, legte den Umhang um sie und legte sie sanft auf den Boden. Dann setzte er sich neben sie und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. Obwohl er auf jeden Laut lauschte, der ihn möglicherweise vor Gefahren warnte, zog die liebreizende Gestalt neben ihm immer wieder seinen Blick auf sich. Wer diese junge Frau war, wusste er nicht, ebenso wenig, weshalb die Götter sie beide zusammengeführt hatten. Doch dafür war er außerordentlich dankbar.
Kieran erwachte. Er hatte sich ein paar Stunden Schlaf erlaubt, doch nun wurde es Zeit aufzubrechen, bevor noch die Soldaten ihre Spur entdeckten. Rasch stand er auf, band die Pferde los und tränkte sie. Erst auf dem Rückweg fiel ihm auf, dass eines der Tiere lahmte. Sie mussten es zurücklassen. Zu fressen hatte es und zu trinken auch. Bestimmte erholte es sich auch wieder.
Wenig später legte er seinem Bruder die Hand auf die Schulter und sah ihn wach werden. Danach wandte er sich Megan zu. Er störte ihren Schlaf nur höchst ungern, doch es musste sein. Sanft weckte er sie auf.
Megan war sofort hellwach. Mit weit geöffneten Augen blickte sie in die fremde Umgebung. Kieran bemerkte, dass ihre Hand dorthin geglitten war, wo gewöhnlich ihr Säbel in seiner Scheide hing.
Das verblüffte Kieran. Megan verhielt sich wachsam wie ein Soldat.
„Wir müssen uns beeilen.“ Er rollte seinen Umhang zusammen und steckte ihn in eine Satteltasche. „Die Sonne wird bald aufgehen.“
Megan half Colin beim Aufstehen und sah zu ihrer Freude, dass seine Verletzungen ihm offenbar kaum noch Beschwerden bereiteten. „Ich werde heute Abend neue Kräuter und Wurzeln für eine Heilsalbe zerstampfen“,
Weitere Kostenlose Bücher