Jenseits des Meeres
Downey, beobachtete, hörte zu und bemerkte an seinem alten Freund eine leichte Veränderung. Doch worin die bestand, hatte er noch nicht herausgefunden.
„Soweit ich hörte, seid Ihr ein höchst faszinierendes Geschöpf.“ James Kettering setzte sich neben Megan auf die Sitzbank und lächelte die Schottin bewundernd an. „Ihr müsst uns unbedingt Eure Abenteuer erzählen.“
Sie fühlte sich unbehaglich. „Ich fürchte, da gibt es nicht viel zu berichten.“
„Ihr seid zu bescheiden.“ Eine Dienstmagd bot ihm noch mehr Whiskey an, und er hielt ihr seinen Kelch hin. „Ihr hattet doch sicherlich eine List ersonnen, mit der Ihr den Soldaten entkamt. Weintet Ihr vielleicht so laut, dass Ihr sie damit in den Wahnsinn triebt? Oder fielt Ihr vielleicht in Ohnmacht, Mylady?“
„Weinen? In Ohnmacht fallen? Was hätte ich damit erreichen können?“
„Nun, möglicherweise hätte man Euch freigelassen“, antwortete er verwirrt. „Welche anderen Waffen hätte eine Frau denn außerdem noch, Mylady?“
Megan guckte ihn fassungslos an. Der Mann hielt sie für unfähig, mit einem Säbel umzugehen! Sie schaute zu Kieran hinüber und bemerkte dessen fest zusammengepresste Lippen. Einen Moment glaubte sie, er hätte kaum merklich den Kopf geschüttelt, doch als sie genauer hinsah, betrachtete er sie nur forschend. Gewiss würde er auch nicht wollen, dass sie vor Lady Katherine oder diesen fremden Leuten ihre Abenteuer genauer erläuterte.
„Habt Ihr jemals eine von Hunden umringte Ricke mit ihrem Kitz gesehen, Mylord?“
Bei ihrer plötzlich schroff gewordenen Stimme erschrak James. „Diese Kreatur, die doch so zahm, so hilflos wirkt, wird mit den Hufen ausschlagen oder wenn nötig sogar beißen, um das Leben ihres Jungen zu verteidigen.“
James ließ den Blick über ihr goldblondes Haar und ihre helle Haut wandern. „Dann werde ich an Euch denken, wenn mir einmal im Wald eine Ricke begegnet, Mylady“, meinte er bewundernd. „Natürlich werde ich ihr trotzdem meinen Pfeil ins Herz schießen, denn so etwas liegt in der Natur eines Jägers.“
Megan wurde es immer unbehaglicher in James’ Nähe. Sie erhob sich. „Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, Mylady“, sagte sie an die Gastgeberin gewandt. „Ich möchte mich jetzt zurückziehen. Ich habe eine lange und anstrengende Reise hinter mir.“
„Was ist denn nun mit den Erzählungen Eurer Abenteuer?“ Offenkundig kränkte es James, dass Megan ihn einfach so sitzen ließ. Er war es nicht gewohnt, dass Frauen, gleichgültig welchen Alters, ihn nicht zur Kenntnis nahmen. Die Bestürzung spiegelte sich auf seinem Gesicht wider.
Colin hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. Er wusste nicht, was ihn mehr amüsierte - James’ fassungslose Miene oder Kierans finsteres Gesicht beim Anblick des neben Megan sitzenden jungen Mannes, der sie zu beeindrucken versuchte.
„Wie habe ich das nur vergessen können? Meine Liebe, Ihr müsst ja völlig erschöpft sein.“
Lady Katherine erhob sich und ergriff Megans Arm. „Bridget und ich werden mit Euch kommen. Das Kind hätte schon längst im Bett sein müssen.“
Das kleine Mädchen küsste liebevoll seine beiden Onkel und nahm dann Lady Katherines Hand.
„Ich bin mir ganz sicher, unsere Herren werden sich auch ohne uns zu unterhalten wissen.“ Lady Katherine drehte sich um und begegnete herausfordernd Kierans Blick. „Irgendein Thema wird sich bestimmt finden, das die Gemüter nicht derart erhitzt, dass es unter unserem Dach womöglich noch zu einer Schlacht kommt.“ Nachdem die beiden Damen und das Kind zur Tür gingen, schaute Kieran ihnen noch hinterher, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, und wandte sich dann wieder seinen Gästen zu.
„Ich hoffe, Ihr findet diese Gemächer komfortabel, meine Liebe.“ Lady Katherine blieb auf der Schwelle stehen, während Megan in das Gemach trat.
„Ach Mylady, nach dem, was wir durchgemacht haben, erscheint mir jedes Zimmer wie der reinste Luxus. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einmal in einem richtigen Bett geschlafen habe.“ Liebevoll strich sie mit der Hand über das weiche Leinen.
Plötzlich hielt sie inne, als sie die Kleidung des Soldaten sah, die sie bei ihrer Ankunft getragen hatte. Die grobe Hose, das Hemd sowie der schwere Umhang waren gewaschen und sorgfältig zusammengelegt worden.
Diese Kleidung erinnerte sie sofort an die raue Behandlung, die sie in den Händen der Soldaten erlebt hatte. Zögernd berührte Megan die
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