Jenseits des Meeres
Sohn. Sir Cecil bot mir an, die Bücher durchzusehen und mir bei der Begleichung einiger alter Rechnungen zu helfen.“
Megan bemerkte Kierans Gesichtsausdruck, als der Ire auf das Pult zuschritt und rasch die aufgeschlagenen Seiten überflog. „Sir Cecil, vielleicht könnt Ihr mir morgen früh genau berichten, was hier in meiner Abwesenheit getan wurde.“
„Sehr gern.“ Der ältere Mann nahm eine Prise Schnupftabak und ließ sich von dem Diener einen Trinkkelch reichen. Seufzend sank er dann vor dem wärmenden Feuer auf eine Polsterbank und schlug die Beine übereinander. „Dies hier ist ein höchst interessanter Raum. Einen solchen Reichtum an Wissen hätte ich in diesem armen Land nicht vermutet.“
Kierans Augen schienen Funken zu sprühen. „Nach englischen Maßstäben mögen wir vielleicht arm sein, doch das heißt nicht, dass wir auch unwissend sind.“
Obgleich viele der anwesenden Herren die Stirn runzelten, schwiegen alle taktvoll. Schließlich waren sie Gäste in Kierans Haus, und dieser Engländer war immerhin ein Freund von Lady Katherine.
„Diese Bemerkung hätte ich wohl besser unterlassen sollen.“ Sir Cecil warf seiner Gastgeberin einen viel sagenden Blick zu. „Jemand, der erst kurze Zeit seine Freiheit genießt, ist wohl etwas empfindlich.“ Er wandte sich zu Kieran um. „Es ist doch keine Schande, dass Euer Land arm ist.“
„Das ist auch nicht die Schuld meines Volkes.“ Kieran sprach gefährlich leise. „Wenn wir arm sind, dann deswegen, weil Eure Königin es uns nicht erlaubt, unsere vorhandenen Quellen auszuschöpfen.“ Er schüttelte den Kopf.
„Die Ländereien unserer Vorväter wurden uns von Euren Landsleuten genommen, Sir Cecil“, fuhr er fort, „und diejenigen, die sich dagegen auflehnen, kommen in englischen Kerkern um. Unsere Waren könnten in anderen Ländern den doppelten Preis erzielen, wenn uns ein fairer Handel erlaubt wäre.“
„Das sind ketzerische Reden“, zischte James Kettering und machte einen Schritt auf Kieran zu.
Sir Cecil hob die Hand, um die zornigen Worte seines Sohnes zu unterbinden. „Wollt Ihr mich noch immer zu einer politischen Diskussion verleiten, Kieran?“ Er leerte seinen Kelch, hielt ihn hoch, und der Diener füllte ihn aufs Neue.
Sir Cecil schwenkte die Flüssigkeit im Pokal und blickte hinein. „Ich an Eurer Stelle würde Eurer Mutter weitere Hetzreden ersparen. Sie hat bereits genug ertragen, denn immerhin wart sowohl Ihr als auch Euer Bruder über ein Jahr fort, und in dieser Zeit musste sie das Gut allein führen.“
„Was ich ertragen musste, war gar nichts gegen die Leiden meiner Söhne.“ Lady Katherine setzte sich neben Colin und streichelte ihm die Wange. „Und jetzt zerspringt mir fast vor Glück das Herz. Allein meine Söhne am Leben und gesund zu sehen hat allen Schmerz und jede Furcht aus meinem Gedächtnis getilgt.“
„Ihr seid sehr tapfer.“ Sir Cecil schenkte ihr ein zärtliches Lächeln und wandte sich dann erneut an Kieran. „Zu mehreren Gelegenheiten schickte ich Gesandte über den Kanal, welche Lady Katherine zur Rückkehr nach England veranlassen sollten. Ihre Auffassung von Loyalität erlaubte es ihr indes nicht, diesen Ort zu verlassen, ehe Ihr zurückkehrtet.“
„Wo hätte sie auch in England wohnen sollen?“ fragte Kieran. „Ihre Heimstatt befindet sich hier.“
„Vergesst Ihr, dass ihre erste Heimstatt England war?“
„Ich vergesse überhaupt nichts.“
Sir Cecil überhörte den Zorn in Kierans Stimme und fuhr geduldig fort: „Ich hätte Eurer Mutter selbstverständlich mein Haus geöffnet, Kieran. Sie hat in England noch immer zahlreiche Freunde, die es ungemein gefreut hätte, wenn sie zurückgekehrt wäre, um den ihr zustehenden Platz bei Hofe einzunehmen.“
„Es wurde genug über England geredet!“ rief Lady Katherine, denn sie hatte den Zorn in den Augen ihres Sohnes bemerkt. Sie nahm einen Trinkkelch vom Brett eines Dieners und sagte: „Ich trinke auf das Wunder, das mir meine Söhne zurückgegeben hat! “ Alle hoben die Kelche und tranken.
Colins Augen funkelten. „Dann schlage ich vor, dass wir auch auf die Dame trinken, die dieses Wunder möglich machte.“ Er hob seinen Pokal. „Auf Megan! “
Kierans Miene war ernst, doch als er sich zu ihr umdrehte, war sein Blick sanft. „Jawohl. Auf unsere tapfere Lady Megan! “ Damit leerte er seinen Kelch.
Die anderen folgten seinem Beispiel.
Auf der gegenüberliegenden Seite des großen Raumes saß schweigend Tavis
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