Jenseits des Mondes
vorstellen konnte. Zwischen den Halmen sah man trotz des kalten Herbstwetters hier und da Wildblumen und kleine Büschel von Heidekraut hervorblitzen. Der Himmel über der Wiese bot einen kristallklaren Blick in den Himmel, als schaute man durch ein Teleskop. Aber wir liebten die Wiese nicht deshalb, weil sie so postkartenschön war, oder wegen der Erinnerungen, die wir mit ihr verbanden. Wir liebten sie, weil wir uns hier zu Hause fühlten.
In der Mitte war eine kleine Erhebung, und dort ließ Michael sich im Gras nieder. Er gab mir ein Handzeichen, zu ihm zu kommen, und wir lagen Arm in Arm da. Zum ersten Mal seit Boston konnte ich ein bisschen loslassen. Wir sprachen nicht. Schweigend sahen wir zu den Sternen empor.
Das Gras war immer noch weich, und die Sterne waren immer noch hell. Michaels Nähe war immer noch tröstend und verführerisch. Als ich mich an diesem wunderbar friedlichen Ort seiner Umarmung überließ, fiel auch meine Fassade der Stärke einen kurzen Moment lang in sich zusammen. Nach außen hin hatte ich mich bis jetzt ganz gut im Griff gehabt, aber in meinem Inneren herrschte immer noch ein heilloses Chaos. All meine Ängste darüber, dass ich die Auserwählte war – Ängste, die ich die ganze Woche über krampfhaft unterdrückt hatte –, kamen auf einmal an die Oberfläche. Ich fing an zu weinen, ein tiefes, haltloses Schluchzen, das meinen ganzen Körper durchschüttelte. Wie um alles in der Welt sollte ich dieser Rolle jemals gerecht werden?
Der Druck von Michaels Armen verstärkte sich. »Hey, wir schaffen das. Gemeinsam.«
Ich versuchte, mich zu beruhigen, aber trotz aller Bemühungen ging mein Atem stockend und flach. »Versprochen?«
Michael drehte sich zu mir um und blickte mir ins Gesicht. Wir sahen einander eine lange Zeit an, und ich musste zum wohl hundertsten Mal denken, wie faszinierend seine blassgrünen Augen waren. Vor allem, wenn aus ihnen so viel Zuneigung und Hingabe leuchtete wie jetzt.
»Versprochen, Ellie.«
Er musste ein Zögern, die Spur eines Zweifels in meinem Gesicht ausgemacht haben, denn er zog mich noch fester an sich. »Ellie, ich liebe dich, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, und ich habe das Gefühl, als hätte ich mein ganzes Leben lang darauf gewartet, dass ich dir diese Liebe beweisen kann. Genau das wird der Beweis sein: dass ich mein Versprechen einhalte.«
Die Kraft seiner Worte brachte meine Tränen zum Versiegen. Wir lagen eng umschlungen da, und mir wurde bewusst, dass wir uns seit der Autofahrt zur Schule am ersten Morgen nach unserer Rückkehr noch nie so nahe gewesen waren. Wir hatten darauf geachtet, nicht zu oft allein zu sein.
Ich spürte, wie sich sein Brustkorb beim Atmen hob und senkte, und fühlte die Wärme seines starken Schenkels an meinem. Ich spürte, wie sein Atem meine Wange kitzelte und wie sich seine Finger in mein Haar woben. Und noch mehr.
Auf einmal wollte ich ihn. Nicht sein Blut. Ich wusste, dass ich das nicht haben konnte. Ihn.
Bis jetzt hatten wir gewisse Grenzen noch nie überschritten. Zumindest körperlich nicht. Gegenseitig von unserem Blut zu kosten war uns immer wie der intimste, vollkommenste Moment des Zusammenseins erschienen. Diese Art der Nähe war uns im Augenblick verwehrt, und wir beide brauchten mehr.
Schließlich bemühten wir uns, ganz normale Teenager zu sein. Und genau das war es doch, was ganz normale Teenager taten, oder? Dann zog Michael mich plötzlich auf sich und fegte alle Gedanken aus meinem Kopf.
Er küsste mich wild, als wäre es Monate und nicht bloß Tage her, dass wir zusammen gewesen waren. Ich war genauso ausgehungert wie er und fuhr mit der Zunge über seine vollen Lippen, dann seinen Hals hinab. Er war immer noch zu weit weg. Trotz der Kälte knöpfte ich sein Hemd auf, und meine Hände strichen über seinen muskulösen Bauch hinauf zu seiner Brust. Seine Haut fühlte sich unter meinen Fingern glatt und warm an, fast heiß, und das Gefühl weckte den Wunsch in mir, ihn noch mehr zu berühren.
Von meiner Kühnheit ermutigt, begann Michael, an den Knöpfen meiner Jacke zu ziehen, und ließ eine Hand unter meinen Pullover gleiten. Seine Hände waren kalt und rau und sexy auf meiner Haut, und als er nach hinten griff, um meinen BH zu öffnen, küsste ich ihn noch heftiger.
Mit offenem Hemd und zerzaustem Haar rollte Michael sich auf mich. Ich schlang die Beine um seine Schenkel und zog ihn noch näher zu mir heran. Die kalte Abendluft spürte ich nicht mehr, da waren nur
Weitere Kostenlose Bücher