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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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fragte uns, ob wir der Meinung seien, dass sie bestraft werden müssten. Als wir dies bejahten, fragte Er weiter, wie ihre Strafe aussehen solle. Wir schlugen Ihm vor, die Zweihundert für immer auf die Erde zu verbannen. Er solle ihnen ihre Kräfte lassen, den Zugang zum Himmel jedoch verwehren. Gott stimmte unserem Vorschlag zu – und Er ging sogar noch einen Schritt weiter. Um den rebellischen Engeln eine Lektion zu erteilen – und damit auch der Menschheit –, ließ er die Sintflut über die Erde kommen, die ihre Anhänger und all ihre Kinder vernichtete.«
    »Da müsst ihr doch zufrieden gewesen sein. Schließlich hat Er gemacht, was ihr wolltet.«
    »Das waren wir zunächst auch. Doch dann mussten wir erkennen, dass die Strafe nicht die Wirkung zeigte, die wir uns erhofft hatten. Die Gefallenen der Dunkelheit – wie wir sie nannten – empfanden keinerlei Reue für ihre Taten. Stattdessen waren sie nun von Rachedurst beseelt, weil Er ihre Kinder getötet und ihnen auf ewig den Zutritt zum Himmel verwehrt hatte. Und ihre Rache bestand darin, sich Ihm auch weiterhin zu widersetzen, indem sie mit ihrem schändlichen Treiben fortfuhren.«
    »Bereust du, dass ihr sie bestraft habt?« Mir kam es ein bisschen dreist vor, einen Engel so etwas zu fragen, aber ich hatte etwas in Rafes Gesicht gesehen, dass diesen Gedanken nahelegte.
    »Ja, weil die Strafe zu hart war und weil wir mit ihr nicht das erreicht haben, was wir erreichen wollten. Danach wandten sich die Gefallenen endgültig vom Licht und der Güte Gottes ab. Aber das ist nicht der eigentliche Grund, weshalb ich finde, dass wir in unserer Bestrafung der Gefallenen zu streng waren.«
    »Sondern?«
    Rafe nahm meine Hände und sah mich mit seinen wunderschönen Augen an. Niemals hätte ich mich von seinem Blick losreißen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Aber ich wollte es auch gar nicht.
    »Zuerst glaubte ich, dass die Gefallenen allein aus sündhaftem Stolz gehandelt hätten. Dass ihre Fähigkeit, wie Gott zu lehren und zu erschaffen, sie hochmütig gemacht hatte. Dass sie sich an ihrer Macht über die Menschen berauschten. Ich hätte mehr Mitgefühl mit ihnen zeigen müssen. Denn inzwischen verstehe ich, was der wahre Grund für den Fall der zweihundert war. Es war nicht Stolz allein. Es war L-«
    Er brach ab, ließ meine Hände los und trat einen Schritt zurück. »Es spielt keine Rolle, weshalb sie gefallen sind, und wie ich über ihre Strafe denke, ist unwichtig. Das alles ist lange her. Wichtig ist, die Gefallenen daran zu hindern, ihren letzten Akt der Rache zu vollenden. Das ist das Schicksal, das dich mit Michael verbindet.«
    »Ich glaube, Michael ist im Moment nicht so gut auf mich zu sprechen.«
    »Du musst zu ihm gehen und dich mit ihm versöhnen. Nur gemeinsam könnt ihr das drohende Unheil abwenden.«
    Ich nahm seine Hand, die er mir eben entzogen hatte. »Und hilfst du mir dabei? Uns, meine ich?«
    Rafe sah mich traurig an. »Ich wünschte, das könnte ich. In Wahrheit habe ich schon viel zu viel getan. Meine Aufgabe war es zu beobachten. Alles, was ich jetzt noch tun kann, ist zusehen und beten.«
    »Bitte, Rafe. Ich weiß doch gar nicht, was ich tun muss. Ich habe keinen Schimmer, wie ich das Ende der Welt verhindern soll. Und Michael ist genauso planlos wie ich.«
    »Ellspeth …«, sagte er langsam.
    »Hast du Angst, dass Gott dich bestraft, wenn du Ihm nicht gehorchst? So wie Er die Zweihundert bestraft hat?«
    Das schelmische Blitzen, das ich zuvor in seinen Augen gesehen hatte, war wieder da. »Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Ihm das ausreden könnte. Die Sache hier liegt ganz anders.«
    »Dann hilf uns, Rafe. Bitte.«
    Er beugte sich zu mir, und für einen Moment lang wünschte ich, er würde mich küssen. Bis mir wieder einfiel, wer er war und wer ich war.
    Rafe strich mir sanft über die Wange – diesmal eher wie ein Bruder – und sagte: »Eine Sache gibt es vielleicht, die ich noch tun kann …«

Zwanzig

    I ch stand im Garten hinter Michaels Haus und sah zu seinem Fenster hoch. Ich traute mich nicht, zu ihm in den ersten Stock zu fliegen, auch wenn es strenggenommen keinen Grund mehr gab, meine Kräfte noch länger zu verbergen. Sie zu unterdrücken hatte den Anfang vom Ende schließlich auch nicht verhindert. Aber Rafe hatte mich gebeten, mich noch eine Weile zurückzuhalten, und ich fand, dass man einem Engel nichts abschlagen durfte.
    Stattdessen warf ich also – wie eine in Liebe entbrannte Figur aus

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