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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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einem Shakespeare-Stück – Steinchen gegen Michaels Fenster. Es dauerte nicht lange, und sein Gesicht tauchte hinter der Scheibe auf. Erst war er einfach nur erstaunt, als er mich sah, aber dann zogen Wut und Verwirrung in seinem Gesicht auf wie eine dunkle Gewitterwolke. Als ich ihm signalisierte, er solle nach draußen kommen, hatte ich kurz Angst, dass er sich weigern würde. Aber das tat er nicht. Er verschwand vom Fenster und ging nach unten.
    Kurz darauf kam er auf die Veranda heraus. Selbst in der Dunkelheit konnte ich den Schimmer seiner weißblonden Haare und den Umriss seiner breiten Schultern erkennen. Im Geiste ergänzte ich das Bild um die grünen Augen, die muskulöse Brust und die starken Arme. Ich hatte solche Sehnsucht nach ihm. Ich wollte meinen Michael wiederhaben, den Seelenverwandten, mit dem ich nächtelang durch den Himmel geflogen war, mit dem ich geredet, den ich geküsst und mit dem ich alles geteilt hatte. Das waren die glücklichsten Nächte meines Lebens gewesen. Inzwischen kamen sie mir unendlich weit weg vor.
    Michael zog die Hintertür leise hinter sich zu und kam zögernd über den Rasen zu dem Baum, unter dem ich stand. Er blieb vor mir stehen, nahm mich aber nicht in den Arm und küsste mich auch nicht wie sonst. Die Distanz zwischen uns machte mich unsagbar traurig. Es war bedrückend mit anzusehen, was innerhalb von wenigen Tagen aus unserer Beziehung geworden war.
    Doch ich war fest entschlossen, dieser merkwürdigen Fremdheit zwischen uns ein Ende zu setzen, und nicht nur, weil Rafe mich darum gebeten hatte. Ich hatte mir sogar vorgenommen, Michael nicht darauf anzusprechen, dass er während des Footballspiels seine Kräfte eingesetzt hatte. Ich ging zu ihm, zog ihn in die Arme und sagte: »Es tut mir leid, dass wir uns gestritten haben.«
    Michaels Körper versteifte sich unwillkürlich, aber dann merkte ich, wie er sich ganz langsam entspannte. Er schlang seine Arme um mich. »Mir auch.«
    Einige Minuten stand ich bloß da und genoss die Wärme seiner Umarmung. Das Verlangen nach Michael und nach seinem Blut wurde immer größer in mir, und ich rückte ein Stückchen von ihm ab. Genug, um ihm in die Augen sehen zu können. Ich musste mich vergewissern, dass es mein Michael war, nicht der gruselige Zombie, zu dem Ezekiel ihn gemacht hatte, oder der abweisende, selbstverliebte Footballstar, zu dem er kürzlich mutiert war.
    Ich war erleichtert. In seinen strahlenden grünen Augen sah ich nur den Michael, den ich liebte.
    »Ich weiß auch nicht, was heute Morgen los war, ich –«, begann ich.
    Michael ließ mich nicht ausreden. »Ich bin schuld, ich habe mich wie ein Vollidiot benommen. Ich war so fixiert auf –«
    Jetzt war ich an der Reihe, ihn zu unterbrechen. Mit der Fingerspitze fuhr ich den Umriss seiner Lippen nach und sagte: »Du musst mir nichts erklären, Michael. Wir waren beide ziemlich beschäftigt.«
    »Aber nicht wie ich, Ellie. Ich war so auf Football und auf Coach Samuel fixiert – ich weiß gar nicht, was mit mir los war. Es war nicht so wie mit Ezekiel – ich habe dir ja versprochen, dass so was nicht noch mal vorkommt. Ich war einfach total abgelenkt. Ich bin nach dem Spiel sogar noch geblieben, um mit dem Trainer ein paar Spielzüge durchzugehen, statt mich mit dir und Ruth zu treffen, obwohl ich ja ganz genau wusste, wie wichtig es war. Dann habe ich deine Anrufe ignoriert, weil ich sauer war, dass du dich über meinen Sport lustig gemacht hast.« Er schüttelte den Kopf, als könne er selbst nicht fassen, wie dumm er gewesen war. »Ich weiß, das ist alles keine Entschuldigung. Es tut mir leid.«
    Als ich sah, wie zerknirscht er war, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, ihm nicht auch noch wegen seiner Flugeinlage beim Footballspiel die Hölle heißzumachen. Michael machte sich schon genug Vorwürfe wegen seines Verhaltens, da musste ich nicht noch in die gleiche Kerbe schlagen.
    Ich umarmte ihn noch fester. »Du musst dich nicht entschuldigen. Nicht mehr. Jetzt sind wir ja wieder zusammen.«
    Er drückte mich so fest, dass ich kaum Luft bekam. »Gott sei Dank. Also, was hat Ruth gesagt?«
    »Ein Vulkan vor der Küste Grönlands wird höchstwahrscheinlich bald ausbrechen und –«
    »In der Offenbarung ist aber gar nicht von Vulkanen die Rede«, unterbrach er mich prompt.
    »Ich weiß. Aber Ruth glaubt, dass dieser Vulkanausbruch möglicherweise verheerende Folgen haben wird, nämlich die Ausbreitung von Krankheiten und

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