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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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meinem großen Erstaunen schwebte ich die restlichen zwei Meter sanft zur Erde. Ich musste keine Vollbremsung hinlegen und benötigte auch nicht wie sonst einen dreißig Meter langen Bremsweg. Rafe hatte mir gezeigt, dass es eigentlich ganz leicht war, meine Kräfte zu beherrschen.
    Immer und immer wieder kam Rafe zu mir geflogen, verbesserte meine Körperhaltung oder flüsterte mir Tipps zu. Als am Horizont die ersten Sonnenstrahlen zu sehen waren, hatte ich die meisten Übungen, die Rafe uns gestellt hatte, gemeistert. Ich würde nie so gut werden wie Michael, aber wenigstens hatte ich jetzt nicht mehr das Gefühl, ein komplett hoffnungsloser Fall zu sein. Allerdings war ich völlig kaputt.
    Wir landeten neben Rafe auf dem kleinen Hügel in der Mitte. Er gab uns noch ein paar Anweisungen, wie wir uns tagsüber verhalten sollten, und verabredete sich mit uns für den nächsten Abend. Es war kurz vor Morgengrauen, und wir wollten gerade auseinandergehen, als Michael etwas sagte. Er war die ganze Zeit über so schweigsam gewesen, scheinbar nur darauf bedacht, Rafe mit seinen Flugkünsten zu beeindrucken, dass ich geradezu geschockt war, als er genau eine der Fragen stellte, die mir schon die ganze Nacht im Kopf herumspukten.
    »Wieso bringst du uns das alles bei? Nur damit wir stark genug sind, um sie zu verwunden, ihr Blut zu trinken« – Michael schüttelte sich bei dem Gedanken – »und sie dann zu töten?«
    »Das ist ein Grund, ja«, erwiderte Rafe in der für ihn typischen Art, eine Antwort zu geben und gleichzeitig doch keine zu geben.
    »Und welche Gründe gibt es noch?«, hakte Michael nach. Ihm war anzusehen, dass Rafes Geheimniskrämerei ihm auf die Nerven ging, Engel hin oder her.
    »Um zu verhindern, dass Ellspeth gefangen genommen wird. Wie ich bereits sagte, die Gefallenen werden sie nicht töten. Sie brauchen sie unter allen Umständen lebendig.«
    Aus irgendeinem Grund machte mir das mehr Angst, als wenn er gesagt hatte, dass sie mich um jeden Preis ermorden wollten. Zaghaft fragte ich: »Und was genau wollen sie von mir?«
    »Die Gefallenen wollen dich für ihre Sache gewinnen. Sie wollen dich davon überzeugen, dass sie recht daran getan haben, zu Beginn Seine Befehle zu missachten, und dass es richtig war, Ihm seitdem immer weiter zu trotzen. Um dies zu erreichen, werden sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen.« Auf einmal wurde er still. »Und das sind viele.«
    »Zum Beispiel?«, wollte ich wissen.
    »Sie werden deine größte Schwäche ausnutzen. Deine Menschlichkeit.«
    »So, wie Kael es versucht hat, als er mir gesagt hat, dass wir gemeinsam Hunger und Krankheiten auf der Welt bekämpfen könnten?«
    »Ganz genau. Die Seite deiner Menschlichkeit, die sie ansprechen werden, wird jeweils mit dem Siegel in Verbindung stehen, das sie öffnen wollen.«
    »Und wenn das nicht klappt?« Ich war neugierig, was Kael als Nächstes probiert hätte.
    »Dann werden sie es vielleicht auf einem direkteren Weg versuchen, zum Beispiel, indem sie andere Menschen bedrohen«, antwortete Rafe. Mir fiel ein, dass Tamiel etwas ganz Ähnliches über Ezekiel gesagt hatte.
    »Was, wenn sie damit auch keinen Erfolg haben?«, wollte Michael wissen.
    »Und das werden sie nicht«, fügte ich hinzu. Ich war fest entschlossen, mich durch nichts auf der Welt rumkriegen zu lassen.
    »Dann werden sie ihr Siegel trotzdem öffnen. Und sie werden Ellspeth am Leben lassen. Wenn es einem nicht gelingt, sie zu gewinnen, dann wird es ein anderer versuchen, und zwar derjenige, der für das nächste Siegel zuständig ist. Unter gar keinen Umständen dürfen die Gefallenen zulassen, dass Ellspeth am Ende nicht hinter ihnen steht.«
    »Aber wieso? Was kümmert es sie, ob ich ihnen glaube oder nicht?« Für mich ergab das alles keinen Sinn.
    »Weil die Prophezeiung besagt, dass der Auserwählte, nachdem das siebte Siegel geöffnet und das Ende der Welt gekommen ist, über alle Wesen auf der Erde richten wird. Sie glauben, dass du, wenn sie dich an ihrer Seite haben, ihr Handeln hier auf Erden als gut und gerecht beurteilen wirst.«
    »Was? Wer kommt denn auf die Schnapsidee, dass ich in der Lage bin, über alle zu Gericht zu sitzen?«
    » Er, Ellspeth.«
    Wer sonst? »Also, im Klartext heißt das: Die Gefallenen wollen mich ins Boot holen, damit ich für sie bei der großen Endabrechnung beide Augen zudrücke.«
    »Ja, Ellspeth. Die Gefallenen wollen nicht länger gefallen sein.«

Vierundzwanzig

    A ls ich Sonntagnacht

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