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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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jetzt auf einmal auf uns warten?
    »Ja. Ich habe Hananel, Daniel, Armaros und Sariel gebeten, heute Nacht mit uns zusammenzukommen. Ich habe euch gesagt, dass ich sie in Kenntnis setzen würde, sobald die Zeit reif ist.«
    Bevor ich irgendetwas fragen konnte, schwang sich Rafe in die Luft. Michael und ich folgten ihm, als er den Schutz unserer Wiese verließ und in den Himmel über Tillinghast eintauchte. Es war erstaunlich, wie viel Rafes Training gebracht hatte. Mittlerweile konnten wir ohne Probleme mit ihm mithalten.
    Ich erhaschte einen Blick auf die Stadtbücherei und das Daily Grind unter uns. Dahinter lag in weiter Ferne die Küste. Es war so lange her, dass Michael und ich zuletzt am Ransom Beach gewesen waren. Würden wir je wieder Gelegenheit dazu haben?
    Wir flogen eine Schleife über dem Platz vor der Kirche. Ich ging davon aus, dass wir eine weiträumige Kurve machen und dann zu irgendeinem versteckten Treffpunkt an der Küste fliegen würden – bis ich zu Boden sah. Auf dem Rasenplatz standen bestimmt zwei Dutzend Leute. Was machten die hier um die Uhrzeit? Wieso hatte Rafe uns erlaubt, direkt über eine Menschenmenge zu fliegen? Und noch schlimmer: Wieso hatte er sich für die Zusammenkunft mit unseren Eltern einen derart überfüllten Ort ausgesucht?
    Dann sah ich genauer hin. Die Gestalten, die sich dort unten versammelt hatten, waren keine Menschen. An der überirdischen Schönheit ihrer Gesichter und den Lichtbögen, die den Rücken einiger entströmten, erkannte ich, dass es Engel waren. Michaels und meine Eltern standen mitten unter ihnen.
    Als wir zur Landung ansetzten, fragte ich Rafe: »Wer sind die ganzen Engel? Sind sie aus dem Himmel, so wie du?«
    »Nein, Ellspeth, das sind die Gefallenen des Lichts, die wie deine Eltern nach dem Licht Seiner Gnade streben.«
    »So viele! Ich dachte, außer meinen und Michaels Eltern gäbe es nur noch ganz wenige.«
    »Fünfundzwanzig der ursprünglichen zweihundert. Sie alle haben sich hier versammelt.«
    »Warum?«
    Er schenkte mir sein verschmitztes Lächeln. »Sie möchten die Auserwählte kennenlernen.«
    Unsere Füße berührten den weichen Rasen. Zögerlich ging ich auf den Kreis der Engel zu, in dessen Mitte meine Eltern warteten. Die Menge teilte sich vor mir. Ich erkannte Tamiel aus Boston, die mir zulächelte. Einige nickten respektvoll, andere streiften mich voller Ehrfurcht mit den Fingern, als würden sie allein durch die Berührung meiner Haut einen Segen empfangen. Ich kam mir komisch vor. All diese Engel hielten mich für jemanden, der ich ganz eindeutig nicht war. Im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu stehen war mir irgendwie unangenehm. Ich sollte die Auserwählte sein, stark und erhaben und unbezwingbar. Die Retterin der Menschheit. Und ich hatte keine Ahnung, was ich sagen und wie ich mich verhalten sollte.
    Bis ich meinen Eltern weinend in die Arme fiel. Dort war ich – trotz aller Fortschritte, die ich gemacht hatte, um eine halbwegs annehmbare Auserwählte abzugeben – sofort wieder die alte Ellie, Daniels und Hannahs tollpatschige, verschusselte Tochter.
    Meine Mutter sprach als Erste. »Es tut mir so leid, dass wir versuchen mussten, euch die Erinnerung daran zu nehmen, wer ihr wirklich seid – nun schon zum zweiten Mal. Nach allem, was in Boston geschehen ist, dachten wir, es würde das Ende aufhalten, wenn ihr vergesst. Wir dachten, wir könnten euch so schützen – euch und alle anderen.«
    »Und es tut uns so unsagbar leid, dass es nichts genützt hat. Und dass wir dich allein gelassen haben und du dich die ganze Zeit verstellen musstest, obwohl du doch wahrscheinlich tausend Fragen hattest und dich schrecklich gefürchtet hast«, fuhr Dad, der Emotionalere der beiden, fort.
    »Ich weiß«, brachte ich unter Tränen hervor. Ich verstand ihre Beweggründe. »Rafe hat mir alles erklärt. Danke für alles. Ihr habt meinetwegen so viele Opfer gebracht. Ich weiß, was ihr alles aufgeben musstet.« Bei dem Gedanken daran, dass sie ihre Unsterblichkeit verloren hatten, musste ich noch heftiger weinen.
    Mein Dad drückte mich ganz fest an sich. »Ellie, es war kein Opfer, sondern ein Geschenk, dich großzuziehen. Du musst uns dafür nicht danken.«
    »Es scheint so ungerecht, dass du mit Michael ganz allein die Gefallenen besiegen musst. Auch wenn die Prophezeiung es verlangt. Ich wünschte, wir könnten mit euch kämpfen«, sagte meine Mutter, und ihre Stimme zitterte ein wenig dabei. Mein Herz krampfte sich zusammen.

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