Jenseits des Mondes
was das für eine geheimnisvolle Rolle ist, die Michael angeblich zu spielen hat?«
»Weil ich es nicht weiß, Ellspeth. Er hat mich nicht in alles eingeweiht.«
»Aber einem Engel des Angesichts wird er doch wohl zumindest einen groben Zeitplan verraten haben, oder?«, höhnte ich, um ihn zu provozieren. »Zum Beispiel weißt du doch bestimmt, wann die restlichen Gefallenen bei mir aufkreuzen werden.«
Als ich die Engel des Angesichts erwähnte, wurde Rafes Gesicht mit einem Mal todtraurig. »Nein, Ellspeth. Er hat mir nur das offenbart, was ich dir bereits gesagt habe. Aber ich bin sicher, du wirst die Gefallenen der Dunkelheit erkennen, wenn du ihnen begegnest. So, wie du sie bisher erkannt hast.«
»Klar«, schnaubte ich. »Ezekiel habe ich ja sofort erkannt. Ich hatte keinen Schimmer, wer er war, bis es zu spät war. Und mit Kael war es genau dasselbe. Wie auch immer, jedenfalls glaube ich dir nicht, dass du mir schon alles gesagt hast, was du von ihm weißt. Ich bin vielleicht nur ein halber Engel, kein ganzer wie du, aber trotzdem kann ich sehen, wenn mir jemand was verheimlicht. Wenn du noch irgendwas weißt – zum Beispiel, woran ich die Gefallenen erkennen kann –, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, damit rauszurücken.«
Rafe zögerte. Er zögerte sonst nie. »Gut. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich dir noch etwas verrate.«
»Vielleicht«, sagte ich wütend. Endlich hörte er auf, um den heißen Brei herumzureden.
»Den Gefallenen, der für das siebte Siegel verantwortlich ist, musst du allein töten. Michael wird nicht dazu in der Lage sein.«
Das überraschte mich. Ich hatte gedacht, er würde mir ein paar nützliche Tipps geben, wie ich die Gefallenen in einer Menschenmenge erkennen konnte oder so. Mit einer Information in dieser Größenordnung hatte ich nicht gerechnet.
»Wieso? Wieso kann Michael ihn nicht töten?« Noch während ich das sagte, kam mir ein schrecklicher Gedanke. Vielleicht würde Michael ihn nicht töten können, weil er selbst schon tot war.
»Wird er –« Ich brachte es nicht über die Lippen.
Aber Rafe verstand es auch so. »Nein, nein«, antwortete er rasch. »Michaels Tod ist nicht der Grund. Ich weiß nicht, wieso er dir nicht helfen kann. Es wurde mir nicht offenbart.«
Ich sah in seine traurigen Engelaugen und las darin, dass er die Wahrheit sagte. Auch wenn es eine unangenehme Wahrheit war. Aber dann sah ich noch etwas anderes in Rafes Augen aufblitzen. Etwas, das er mit aller Macht zu verbergen versuchte.
»Das ist alles? Bist du sicher, dass du mir nicht noch irgendwas verschweigst?«
Er blickte zu Boden.
»Jetzt sag schon, Rafe.« Ich nahm die Hände von den Hüften und streckte sie nach ihm aus. »Bitte. Du darfst keine Geheimnisse mehr vor mir haben. Nicht, wenn ich Erfolg haben soll.«
Ein Sturm der Gefühle fegte über seine Züge hinweg. Ich konnte sehen, dass dieses letzte Geheimnis direkt im Auge des Sturms lag – genau wie die Entscheidung, ob er es mir verraten sollte oder nicht.
Er verstärkte den Griff seiner Finger um meine und beugte sich zu mir. Seine Lippen streiften meine Wange, und ich spürte seine Haare an meiner Stirn. Wir waren uns noch nie so nahe gewesen, nicht mal, als ich sein Blut getrunken hatte. Seine Nähe vertrieb für einen Moment lang alle anderen Gedanken aus meinem Kopf, sogar den Schmerz über Michaels Abgang.
Rafe begann zu flüstern. Zuerst verstand ich kaum, was er sagte, weil ich nur auf das Gefühl achtete, das sein Flüstern in mir auslöste. Sein sanfter Atem an meinem Ohr war so köstlich warm und tröstend. »Das einzige Geheimnis, das ich jetzt noch vor dir habe, ist eins, das nicht einmal Er kennt. Weil es verboten ist.«
»Mir kannst du es sagen, Rafe. Du kannst mir alles sagen.«
Er hielt inne, dann presste er seine Lippen noch dichter an mein Ohr. »Erinnerst du dich noch an die Geschichte vom Anfang, die ich dir erzählt habe?«
»Ja.« Eigentlich war es mir ganz egal, was er sagte. Ich wollte, dass er nie mehr aufhörte zu flüstern.
»Weißt du noch, wie ich dir erzählt habe, dass die Engel mit dem Auftrag auf die Erde gekommen sind, die Menschheit zu leiten und zu beschützen? Und dass sich alles verändert hat, als sie die Menschen zum ersten Mal sahen? Darin liegt der Grund für ihren Fall.«
»Ja«, hauchte ich, während ich darüber nachdachte, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn Rafes Lippen von meinem Ohr zu meinem Hals wandern würden.
»Ich habe dir gesagt, dass ich
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