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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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verschiedenen Schichten für jedes Wetter geeignet. Danach packte ich sorgfältig meine schwarze Tasche. Ich versuchte, an alles zu denken, was mir im Kampf mit den Gefallenen oder fürs Überleben eventuell nützlich sein konnte. Ganz zum Schluss nahm ich noch mein Schweizer Taschenmesser aus der Schublade, in die ich den Kram vom letzten Sommerurlaub hineingestopft hatte, und warf es in die Tasche.
    Ich setzte ein tapferes Gesicht auf und marschierte zur Tür, um meinem alten Leben adieu zu sagen. Als ich die Hand auf den Türknauf legte, geriet meine Entschlossenheit ein bisschen ins Wanken. Bevor ich den Schritt ins Ungewisse wagte, brauchte ich noch einen Moment Zeit, um mir mein altes Kinderzimmer noch mal anzusehen – das Zimmer, in dem ich vom College, Jungs und einer tollen Karriere geträumt hatte. Ich musste der alten Ellie und allem, was aus ihr hätte werden können, endgültig Lebewohl sagen.
    Ich versuchte, mir jede Falte meiner alten Flanellbettwäsche einzuprägen und jeden Streifen Sonnenlicht, der durch die Vorhänge auf den Boden vor dem Fenster fiel. Ich strich mit dem Finger über die Fensterbank, wo ich viele Stunden gesessen und gelesen hatte. Ich berührte die Rücken meiner zerlesenen Kinderbücher, allen voran Der König von Narnia .
    Ich war ganz versunken in Erinnerung und Abschiedsschmerz, als ich mein Handy piepsen hörte. Ich holte es aus meiner Tasche und sah, dass ich schon wieder eine SMS von Ruth bekommen hatte. Ich fragte mich, ob sie womöglich die ganze Nacht auf gewesen war vor Sorge um mich – und den Rest der Menschheit.
    Ich öffnete die SMS. Was ist los? Melde dich, ich mach mir wahnsinnige Sorgen! stand da.
    Wo sollte ich anfangen? Es war so viel passiert, was sollte ich ihr sagen? Dass zwei weitere Siegel geöffnet worden waren? Dass wir zwei Gefallene zur Strecke gebracht hatten? Dass Michael und ich uns verkracht hatten? Oder vielleicht, dass Rafe mir seine Liebe gestanden hatte und danach auf Nimmerwiedersehen verschwunden war? Obwohl der Gedanke, Ruth mein Herz auszuschütten, mehr als verlockend war, wusste ich, dass ich ihr nichts von alldem sagen konnte. Alles, was ich tun konnte, war, sie zu beschwichtigen.
    Ich tippte eine knappe Antwort. Alles okay. Bis gleich in der Schule.
    Sofort meldete sich mein Handy wieder. Was? Was heißt das?
    Vertrau mir einfach , schrieb ich zurück.
    Schweren Herzens verließ ich mein Zimmer und stapfte die Treppe hinunter. Meine Eltern standen unten, um mich zu unserem Auto zu begleiten. Das jetzt wohl fürs Erste mein Auto war. Wir fassten uns an den Händen und gingen, ohne ein Wort zu sagen, durch den Flur zur Haustür hinaus.
    »Wir warten hier auf dich, Liebes. Wenn alles vorbei ist«, sagte mein Dad und umarmte mich fester, als ein normaler Mensch es hätte tun können.
    Meine Mutter griff sich in den Nacken und öffnete die Kette mit dem Medaillon, das sie immer um den Hals trug und in dem sie den Schlüssel zu der kleinen Truhe aufbewahrte, die die Beweise des unnatürlich langen Lebens meiner Eltern enthielt. Sie legte mir die Kette um den Hals und sagte: »Wenn alles vorbei ist.«
    Ich wagte nicht, sie anzusehen. An ihrem zittrigen Tonfall hörte ich, dass beide mit den Tränen kämpften. Ich durfte jetzt nicht schwach werden.
    Nachdem ich die Wagentür aufgeschlossen hatte, setzte ich mich hinters Steuer. Plötzlich überkamen mich Schuldgefühle, weil ich ihnen zum Abschied nicht mal in die Augen gesehen hatte. Ich drehte mich zu ihnen, um sie noch ein letztes Mal anzusehen. Dabei fiel mein Blick auf einen Gärtner, der nebenan im Garten von Pipers Eltern arbeitete. Keine Ahnung, warum er mir bei all dem Gefühlschaos überhaupt auffiel, aber dann wurde mir klar, dass ich ihn schon mal gesehen hatte, und zwar am vorigen Abend auf dem Platz vor der Kirche. Es war einer der Gefallenen des Lichts, der gekommen war, um meine Eltern zu beschützen. Mich tröstete es ein bisschen, sie in Sicherheit zu wissen.
    Also fuhr ich los. Die Menschheit retten.

Sechsunddreißig

    G ott sei Dank gab es Ruth.
    Als ich in die Schule kam, wartete sie bereits an meinem Schließfach auf mich. Ich wusste, dass sie unbedingt reden wollte – so viel hatte ich ihren ungefähr tausend SMS und Nachrichten auf der Mailbox zum Vulkanausbruch ja bereits entnommen. Der Flugverkehr war auf unbestimmte Zeit lahmgelegt, und das Fernsehen berichtete von ersten Lebensmittelengpässen in Europa sowie von der Ausbreitung einer tödlichen Lungenkrankheit

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