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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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anfangs glaubte, ihr Stolz sei schuld gewesen. Stolz auf ihre Fähigkeit, die Menschen zu lehren und wie Gott Neues zu erschaffen.«
    »Ja …«
    »Mittlerweile habe ich erkannt, dass es nicht nur Stolz war.«
    »Was war es denn dann?«, fragte ich, während ich weiterhin nur mit halbem Ohr zuhörte.
    »Es war auch Liebe.«
    Schlagartig hörte ich auf, mich dem Gefühl seines Atems in meinem Ohr und seiner Lippen auf meiner Haut hinzugeben, und hob den Blick. Hatte er wirklich gerade gesagt, was ich glaubte, dass er gesagt hatte? Meinte er, was ich glaubte, dass er meinte?
    Wir starrten einander eine Zeitlang schweigend an. Rafes Geständnis hätte mich überraschen sollen. Aber tief in mir drin hatte ich so etwas bereits geahnt, sogar befürchtet. Vom ersten Augenblick an, als er mir die Geschichte der Gefallenen erzählt und zu erklären versucht hatte, weshalb sie bei den Menschen geblieben waren, hatte ich den Eindruck gehabt, dass er in Wahrheit seine eigene Geschichte erzählte.
    »Liebe«, brachte ich endlich hervor. »Die Gefallenen sind gefallen, weil sie sich in die Menschen verliebt haben.«
    Rafe lehnte seine Stirn an meine. Wir standen da und atmeten tief ein und aus. Trotz allem konnte ich immer noch nicht ganz glauben, dass Rafe die Worte wirklich ausgesprochen hatte. Auch wenn es wundervoll gewesen war, sie zu hören.
    »Ich liebe dich, Ellspeth. Auch wenn ich dich niemals werde haben können.«
    Ganz langsam wanderten seine Lippen von meinem Ohr zu meiner Wange. Er atmete mich ein – meinen Duft, mein ganzes Sein. Er war mir ganz nahe, und er roch so berauschend, so überirdisch. Es war weniger ein Duft als eine Erinnerung. Ich bekam Heimweh nach einem Ort, an dem ich noch nie gewesen war.
    Ich fragte mich, wie es wohl wäre, ihn zu küssen.
    Ich spürte, wie meine Knie nachgaben. Er stützte mich mit seinem Arm, und ich glaubte, den Schlag seines Herzens hören zu können. Er klang ganz anders als das gleichmäßige Pochen in Michaels Brust. Eher wie das langsame, rhythmische Schlagen von Flügeln.
    War dies meine wahre Bestimmung? Michael war in letzter Zeit so unberechenbar und abweisend gewesen, und unsere Beziehung war so kompliziert. Waren die vergangenen Wochen nichts anderes gewesen als ein langer, schmerzhafter Abnabelungsprozess? Sollte ich vielleicht in Wirklichkeit mit Rafe zusammen sein?
    Rafe strich mit seinen Lippen an meiner Wange entlang. Langsam, zu langsam wanderte sein Mund zu meinem. Er war weich und vollkommen und löschte alles andere aus. Unsere Lippen trafen sich.
    Im selben Moment ging ein Ruck durch mein Inneres, als zwei heftige Visionen mich beinahe gleichzeitig überrollten. In der einen stand ich mit Michael Hand in Hand am Ransom Beach und schaute in den leuchtendsten, atemberaubendsten Sonnenaufgang, den ich je gesehen hatte. Ich war von Frieden und Glückseligkeit erfüllt. In der anderen Vision stand ich mit Michael an demselben Strand, allerdings hielten wir uns nicht an den Händen, und hinter uns ging ein rastloser Rafe auf und ab. Ein Gefühl der Leere beherrschte mein Inneres, und im dunklen Himmel über der See braute sich ein Hagelsturm zusammen.
    Von wo – oder wem – auch immer diese Bilder kamen, ich begriff, was sie mir sagen wollten. Als hätte er gewusst, was ich gesehen hatte, zog sich Rafe sofort zurück.
    »Ich muss gehen, Ellspeth. Meine Anwesenheit hier schadet nun mehr, als sie nützt. Du musst dich mit Michael versöhnen. Gemeinsam müsst ihr die Prophezeiung erfüllen.«
    Er hatte ja recht. Von dem Augenblick an, als sich Rafes und meine Lippen begegnet waren, hatte ich gewusst, dass wir das Falsche taten. Ganz egal, wie wütend ich auf Michael war, diese Wut war eine Winzigkeit. Er und ich gehörten zusammen.
    Dennoch wollte ich nicht Lebewohl sagen. Ich schloss die Augen. »Rafe, nein.«
    »Ellspeth, mehr als alles andere auf der Erde oder im Himmel möchte ich hier bei dir bleiben. Aber du und Michael – es ist von Anbeginn vorherbestimmt.«
    »Aber was ist denn mit meinem freien Willen, Rafe? Was, wenn ich will, dass du bleibst?« Trotz allem, was ich eben gesehen und gefühlt hatte, wollte ein Teil von mir immer noch, dass Rafe bei mir blieb.
    Seine dunklen Augen bohrten sich in meine. »Ellspeth, Gott hat dir den freien Willen geschenkt, aber ich kenne dich. Ich weiß, dass du ihn nur für das einsetzen würdest, was richtig und gut ist. Was das bedeutet, ist klar. Du wirst bei Michael bleiben und deine Bestimmung erfüllen.«
    »Du

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