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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Worte anhand der Patrone in seinen Fingern. »Dafür fällt der Aufprall heftiger aus, und die Kugel verformt sich oder zersplittert gar. Die Wunde ist größer, es fließt mehr Blut, und durch die Splitter lässt sie sich kaum mehr verarzten. Der Feind wird so wirkungsvoll außer Gefecht gesetzt.«
    Royston grinste. »Hört auf den lustigen Namen Dum-Dum , nach einer Munitionsfabrik im Norden von Calcutta, in der solche Patronen schon fertig hergestellt werden.«
    »Das ist doch barbarisch!« Stephen ließ die Patrone fallen, alshandle es sich dabei um ein giftiges Tier, ergriff sein Notizbuch und stand hastig auf.
    Jeremy warf ihm einen kurzen Blick zu, und zwischen seinen Brauen erschienen feine Kniffe. »Was glaubst du, was das morgen gibt? Ein entspanntes Picknick oder einen Fünfuhrtee?«
    Die anderen lachten, und Stephen schoss das Blut ins Gesicht. »Natürlich nicht! Aber normale Geschosse werden’s doch auch tun! War bislang doch auch so!«
    »Ich denke jedenfalls nicht daran«, sagte Jeremy und begutachtete eine weitere abgefeilte Patrone, »irgendeinen noch so kleinen Vorteil zu verschenken. Und du«, er sah Stephen unverwandt an, »bist gut beraten, das auch nicht zu tun. Also gib das an deine Männer weiter und schnapp dir selbst Munition und Werkzeug!«
    »Auf keinen Fall!« Stephen verschränkte die Arme vor der Brust.
    Jeremy hielt in der Bewegung inne, und sein Mund spannte sich an. Langsam stand er auf. Den Rücken den anderen zugewandt, trat er dicht vor Stephen hin. »Du gehst sofort zu deinen Männern und weist sie an, das Messing an der Spitze abzufeilen!« Leise hatte er gesprochen, aber mit unzweifelhafter Bestimmtheit.
    »Nein. Das ist unmenschlich, was diese Geschosse anrichten.« Stephens Miene drückte aus, wie angewidert er von dieser Vorstellung war.
    Jeremys Brauen zogen sich zusammen. »Das war kein Vorschlag, Stephen. Das war ein Befehl.«
    Stephens Blick flackerte. »Du kannst mir keine Befehle erteilen.«
    »Doch, das kann ich, Second Lieutenant Norbury.« Jeremy trat einen Schritt zurück, und Stephens Blick fiel auf den Streifen am Ärmel des Freundes, den Streifen eines Lieutenants, der ihm bislang versagt geblieben war. »Und mein Befehl lautet, Ihre eigenen Patronen entsprechend zu präparieren und diesen Befehlan Ihre Soldaten weiterzugeben. Auf der Stelle. Sollten Sie sich weigern, muss ich Sie melden.«
    Stephen wurde weiß um die Nase, weiß vor Wut. Er machte auf dem Absatz kehrt und stakste davon.
    Die anderen drei hatten ihre Arbeit unterbrochen, sahen abwechselnd einander und Jeremy an, der sich in augenscheinlicher Gemütsruhe wieder hinsetzte.
    »War das denn wirklich nötig?«, durchbrach Simon zaghaft das bedrückte Schweigen.
    »Ja, war es.« Jeremy deutete auf eine Patrone, die vom bearbeiteten Haufen neben Simon in den feuchten Sand gerollt war. »Nimm einen Lappen und reib sie sorgfältig sauber!«, wies er ihn barsch an. »Kein Körnchen darf dran kleben bleiben; Sand bekommt den Martini-Henrys nicht!«
    Sie verbrachten eine ungemütliche Nacht im Lager von Trinkitat, unter einem bedeckten Himmel, der nur ab und zu einen Blick auf die haarfeine Sichel des neugeborenen Mondes erlaubte. Der Einzug des ersten Bataillons des York & Lancaster um Punkt acht Uhr abends und lange nach dem Zapfenstreich störte die Nachtruhe. Beim Anblick der vergnügt grinsenden Männer in ihrem altmodischen Khakidrillich, das zusammengerollte Bettzeug über die Schulter geworfen, nach dreizehn Jahren in Indien eigentlich auf dem Heimweg, aber in Aden über Suakin hierher umgeleitet, um sie morgen zu unterstützen, brachen jedoch alle in Jubel aus und begrüßten die Neuankömmlinge wie alte, lang vermisste Freunde. Das hob für einige Zeit die Stimmung, währte aber nicht sonderlich lange; die Gedanken an den kommenden Tag, nicht zuletzt daran, ob das öffentlich verkündete Ultimatum an Osman Digna, sich bis Sonnenaufgang zu ergeben, ihnen nicht vielleicht doch den Kampf ersparen würde, lieferten sich ein zähes Ringen mit der Mahnung an sich selbst, unbedingt Schlaf finden zu müssen, um morgen frisch und ausgeruht zu sein. Immer wieder trieben nebelfeine Regenschauer über dasLager, und vor Sonnenaufgang goss es dann wie aus Kübeln. Keiner der Männer war unglücklich, als um fünf Uhr die Fanfare des Signalhorns diese Nacht beendete und sie sowohl an den Latrinen als auch für Kaffee, Tee und Zwieback Schlange standen, bis zum Aufbruch geblasen wurde.
    Es war ein Bild, das

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