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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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und Pfeifen der Highlander, dieses Mal in strammem, gleichförmigem Schritt, nordwärts um die Befestigungsanlagen herum, um den Feind von hinten, an seiner schwächsten Stelle, zu treffen.
    Doch es war der Feind, der zuerst zuschlug, mit einer Granate aus einer der Krupps, die weit über das Karree hinausschoss. Die zweite Granate schlug unmittelbar neben den Briten ein und explodierte. Splitter spritzten umher, und unter Schreien und Stöhnen brachen Soldaten zusammen. Noch eine Granate, noch ein Krachen, mehr Verwundete. Die Soldaten rückten weiter vor, Augen geradeaus, noch immer ohne den Befehl, das Feuer zu erwidern. Die Salven knatterten und peitschten auf das Karree ein, mähten Soldaten nieder und schlugen Lücken in die Formation; Lücken, die sich sofort durch nachrückende Männer schlossen. Ärzte und Sanitäter hasteten durch die Reihen und schleppten die Tragen mit den Verwundeten aus der Gefechtslinie. Eine Granate krachte in die Mitte des Karrees, und Staub und Schrapnelle sprühten über die Kamele und Maultiere mit Wasser, Munition und Ausrüstung, über die Sappeure und einzelne Soldatentrupps. Stoisch rückten sie weiter vor, während ihnender Schweiß über das Gesicht, den Nacken und den Rücken lief, die Nerven zum Zerfetzen angespannt, und die ganze Zeit über versicherten sich Jeremy, Royston, Stephen, Leonard und Simon nicht nur, dass ihre Männer noch vollzählig waren; sie versicherten sich auch mit hastigen Blicken gegenseitig: Wir sind noch da. Wir sind alle noch da. Uns ist nichts geschehen.
    Mit einem Mal war es still. Ganz still. Nur die Räder der Geschützwagen quietschten. Und die Stiefel der Soldaten und die Hufe der Pferde knirschten über den harten, sanddurchsetzten Boden.
    Kransch. Kranschkranschkransch. Kransch.
    »Haaalttt!«
    Viereinhalbtausend Mann standen vor dem äußersten Ende der Befestigungsanlagen, einem Erdwall von gut sechs Fuß Höhe, der eine Horde Mahdisten und zwei Kruppgeschütze abschirmte. Die Soldaten warfen sich auf den Bauch in Gefechtsposition; die Artillerie ließ die Kamele in die Knie gehen und lud ab, schraubte in präzisen Bewegungen die Geschütze zusammen und brachte sie in Stellung. Kanonen wurden herangeschoben, und die letzten Husaren stoben in Staubwolken hinter das Karree, um sich aus der Schusslinie zu bringen.
    Es war Mittag. Die Sonne stand genau über ihren Köpfen und warf ihren harten Schein zur Erde, bar jeglichen Schattens. Klar wie eine Glasglocke stülpte sich die Luft über die Oase von el-Teb. Jeder Umriss, jede Fläche, jeder Körper trat scharf hervor: die schwarzen Gesichter der Hadendoa, das Aufblinken der Speerspitzen und Schwertklingen. Die Männer von Osman Digna, die ebenso warteten wie sie selbst. Einen Herzschlag und noch einen. Einen Atemzug und noch einen. Jeremy. Stephen. Royston. Leonard. Simon. Die Gewehre mit den aufgepflanzten Bajonetten im Anschlag, ein Auge zugekniffen, das andere auf das Visier konzentriert und zielend, den Finger am Abzug.
    » Feuer! «
    Die Luft erbebte unter dem Röhren und Zischen aus denKanonenläufen, den Geschützen, die ein Trommelfeuer ausspien. Granaten schlugen in den Gräben ein, detonierten krachend in einem Splitterregen. Schmerzensschreie gellten durch die Luft. Salve um Salve prasselten die Gewehrkugeln über den Erdwall hinweg, fegten das gegnerische Feuer einfach hinfort. Das Signalhorn schmetterte den Befehl zum Aufstehen, zum Vormarsch, zur nächsten Salve. Welle um Welle prasselten Kugeln auf die feindlichen Stellungen nieder, hagelte es Granaten; Welle um Welle schob sich das Karree vorwärts.
    Über den Befestigungswall hinweg stürmten sie auf die Briten zu: dunkle Gestalten, beinahe nackt und die Haut glänzend, mit glühenden Augen unter ungebärdigem Haarschopf, brüllend nach dem Blut der Engländer. Horden schwarzer Panther, geschmeidig, stark und furchtlos, hungrig nach Beute. Die ersten sanken schon oben auf dem Erdhügel nieder und rutschten leblos den Abhang hinunter. Doch immer mehr Krieger rückten nach, Dutzende, Hunderte, und warfen sich mit ihren Schwertern gegen das Karree. Mit Schwertern, die mühelos durch Fleisch und Gebein schnitten wie durch Butter, während die Spitzen der Bajonette verbogen, wenn sie auf Knochen trafen und sogar stecken blieben.
    Das Karree teilte sich. Die vordersten Reihen preschten den Wall hinauf, hinein in den donnernden Regen aus den Geschützmündungen, und begannen ihre Jagd durch die Schützengräben, durch das Fort,

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