Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
hervorgeschlängelt hatte, schob sie sie rasch zurück.
»Unmöglich.«
»Bitte«, entfuhr es Grace. »Es muss möglich sein!«
Abbas’ Blick wanderte zu Leonard, dann auf die Zigarette, die zwischen seinen Fingern nicht dicker wirkte als ein Streichholz. »Nach Omdurman kommt man als Weißer vielleicht. Aber niemals zurück.«
»Bitte«, wiederholte Grace und zog damit erneut Abbas’ Blick auf sich.
»Du erst recht nicht.« Grace zuckte vor seinem groben Tonfall zurück. »Dem Khalifa wärst du zu alt; er bricht seine Blumen lieber, solange sie noch Knospen sind. Aber jeder Sheikh dort unten würde ein Vermögen bezahlen, um eine Frau mit so hellem Haar zu besitzen. Und jeder Wegelagerer würde auf der Stelle zwanzig Männer töten, um eine wie dich verkaufen zu können.«
Abbas’ Warnung beeindruckte Grace nicht sonderlich; in ihren Ohren hatte sie zu sehr nach einer orientalisch anmutenden Räuberpistole oder nach einer Ausrede geklungen. »Ein ... ein ... Freund von uns ... Wir glauben, er ist als Gefangener in Omdurman. Bitte, Abbas, hilf uns, ihn zu finden und heimzubringen«, bat sie beharrlich.
Abbas jedoch hatte sich bereits wieder dem Kaffeetässchen zugewandt.
Leonard klemmte sich die Zigarette in den Mundwinkel, griff in seine Hosentasche und blätterte unter der Tischplatte ein Geldbündel durch, teilte es, und während er den Rest wieder in die Tasche zurücksteckte, legte er die Hand mit dem anderen Teil auf den Tisch. »Für den Anfang.«
Ungerührt widmete Abbas sich weiter Mokka und Zigarette. Bis er schließlich, ohne hinzusehen, mit dem Daumen unter Leonards Hand entlangstrich, den ausgerauchten Stummel auf dieGasse hinausschleuderte und aufstand. Er war groß, sehr groß, fast noch größer als Royston und mindestens ebenso kräftig. Im Weggehen zischte er ihnen zu: »Übermorgen. Sonnenaufgang. Hier.«
»Ich mag ihn nicht«, sagte Grace später am Abend, während sie in Hemd und Hosen im Schneidersitz auf ihrem Bett saß. Eine Laterne auf dem Tisch warf flackernde Lichtzungen und Schattengeister in das Zimmer und schuf eine halb behagliche, halb abenteuerliche Atmosphäre. Gedankenvoll biss sie in ein Stück Fladenbrot.
Leonard, der neben ihr saß, lachte. »Du magst ihn nur deshalb nicht, weil er sich von deinem bezaubernden Äußeren und von deinem weiblichen Charme unbeeindruckt gezeigt hat, aber meinem Charme nicht widerstehen konnte. Vor allem meinem Geld nicht.« Grace knuffte ihn gegen den Oberarm. »Du musst ihn auch nicht mögen, Grace. Er muss uns nur heil nach Omdurman und wieder zurück bringen.«
»Das ist es ja«, murmelte Grace und sah Leonard an. »Meinst du, wir können ihm trauen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben. Er ist der Einzige weit und breit, der dazu bereit ist.« Grace schüttelte den Kopf, als er die irdene Schale mit Huhn, Linsen und Gemüse, die sie auf dem Rückweg an einem Stand gekauft hatten, näher zu ihr hinschob. »Iss!«, befahl er ihr mit Nachdruck.
»Ich hab keinen Hunger.«
Leonard seufzte und reckte sich über die Bettkante, um die Schale auf dem Boden abzustellen. »Im Sudan wirst du noch dankbar sein um jeden Bissen, den du zwischen die Zähne bekommst.« Mit einer Flasche kam er wieder hoch, entkorkte sie und hielt sie Grace hin.
Misstrauisch beäugte sie die klare Flüssigkeit darin. »Was ist das?«
»Frag nicht so viel – trink!«
Grace nahm die Flasche, nippte daran und schnitt hustend eine Grimasse, als das scharfe, nach Anis schmeckende Getränk auf ihrer Zunge brannte und ihr heiß die Kehle hinabrann. »Das ist ja scheußlich!«
Leonard lachte. »Das ist Arak, das ist wie Medizin. Los, noch einen Schluck. Und noch einen! So ist’s brav.« Als Grace ihm die Flasche zurückgab, nahm er selbst einen tiefen Zug.
Der Arak wärmte Grace im Bauch, und sie lehnte sich zurück, stopfte sich ein Kissen in den Rücken. »Danke, Len«, flüsterte sie. »Dass du diese Reise mit mir machst.«
»Keine Ursache. Wir sind doch Freunde.« Leonard hielt ihr die Flasche erneut hin. Sie schüttelte den Kopf, nahm sie unter seinem auffordernden Nicken dann aber doch und trank, hustete nochmals mit einem kurzen Auflachen und gab sie ihm wieder. Er steckte den Korken wieder darauf und stellte sie auf den Boden, streckte sich neben Grace aus, stützte den Kopf in die Hand. »Bist du sicher, dass du das wirklich willst – bis in den Sudan hinunter?«
Sie sah ihn ernst an. »Ich muss«, kam es weich
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