Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
»Meinen Glückwunsch!«
    »Siehst du, Grace, deshalb bin ich auch hier. Es klingtsicherlich seltsam ... Aber bevor ich den Gang zum Traualtar antrete ...« Er räusperte sich und rutschte nervös auf dem Sessel herum, ähnelte unvermittelt wieder sehr dem Jungen, der er einmal gewesen war. »Entschuldige, dass ich dich damit einfach so überfalle, aber ... Aber was weißt du über den Tod meines Bruders? Ich bin das Gefühl nie ganz losgeworden, dass das, was man mir erzählt hat, allenfalls die halbe Wahrheit ist. Du warst doch damals mit ihm dort – kannst du mir mehr darüber sagen?« Als Grace ihren Blick abwandte, setzte er beinahe schon flehend hinzu: »Bitte, Grace, es ist unendlich wichtig für mich!«
    »Haben Sie noch Fragen?«
    Jeremys Augen wanderten über die gut zwanzig jungen Männer, die in ihren marineblauen Uniformen immer zu zweit in den Holzbänken saßen und seinen Blick aufmerksam erwiderten. Aus dunkelblauem Tuch war auch seine eigene Uniform, jedoch entlang der Hosennaht mit einem scharlachroten Streifen versehen, der ihn als Vorgesetzten und Ausbilder auswies, und während sich die Kadetten mit Messingknöpfen als alleinigem Zierrat begnügen mussten, bezeugten Abzeichen am Stehkragen und auf den Schulterstücken seinen Rang als Major. Einer der Kadetten blickte verträumt in die Ferne, und zwei oder drei duckten sich über ihren Notizen, spitzten eifrig ihren Bleistift an oder befüllten ihren Federhalter neu.
    Dreizehn Jahre war es jetzt her, dass er selbst in einer dieser Bänke gesessen hatte, genau hier, in diesem Raum, neben Stephen, und die Fragen von Colonel Norbury beantwortet hatte. Sandhurst hatte inzwischen einen neuen Lehrplan und erweiterte Ausbildungszeiten – statt einem Jahr blieben die Kadetten eineinhalb Jahre –, aber sonst hatte sich wenig verändert. In jeder Kompanie waren die Rollen ähnlich verteilt wie bei ihnen damals: Es gab einen, der der Kleinste war, dafür aber die größte Klappe hatte, so wie Simon seinerzeit. Ein Snob wie Royston war darunter und ein strahlender, gut aussehender, von Göttin Fortuna injeder Hinsicht verwöhnter Gentleman wie Leonard. Ein Kadett war sehr unsicher und gegen seinen Willen hier wie Stephen, und einer aus einfachen Verhältnissen war darunter, der deshalb doppelt so großen Ehrgeiz an den Tag legte. So wie Jeremy einst. Und natürlich durfte auch ein Störenfried wie Freddie Highmore nicht fehlen, der es bei den Coldstreams zwar noch zum Captain gebracht hatte, aber auf diesem Rang einstweilen stehen geblieben war.
    Lange hatte er gezögert und über den Vorschlag des Colonels, am College zu unterrichten, nachgedacht. In den Tagen, den Wochen, nachdem unter dem Hauptportal von Shamley Green der Blick des Colonels erst auf den schmalen Goldreif an Grace’ Hand gefallen war und er schließlich den geschwächten Arm um seine Tochter gelegt und sie so fest an sich gedrückt hatte, wie es ihm möglich war. Nachdem Jeremy und der Colonel Nachmittag um Nachmittag durch den Garten spaziert waren. Schweigend zuerst, später tief versunken in lange Gespräche.
    Schließlich hatte ein Argument des Colonels den Ausschlag gegeben, an jenem Tag, an dem sie nebeinander auf der Bank im Garten gesessen waren und Jeremy die Hand des Colonels auf seiner Schulter gespürt hatte: Jeremy würde keinen einzigen Krieg verhindern, wenn er der Welt des Militärs den Rücken zukehrte. Aber er könnte dafür sorgen, dass die künftigen Generationen von Offizieren besser ausgebildet und besser vorbereitet waren, indem er sein Wissen und seine Erfahrung weitergab. Und in den Jahren, die er hier unterrichtete, hatte er diese Entscheidung noch keinen Tag bereut. Es fühlte sich richtig an, hier zu sein.
    Eine Hand schnellte in die Höhe. Sie gehörte zu einem blassen Hänfling mit eckigem Gesicht, übergroßen Ohren und mit Augen, die immer leicht verschlafen wirkten. Erst im dritten Anlauf hatte er die Aufnahmeprüfung bestanden und tat sich seither durch Eifer und Ehrgeiz hervor.
    »Mr Churchill?«
    Kadett Winston Spencer Churchill erhob sich. »E... erzählen Sie uns v-vom Ssudan, M-major Ssir?« Das leichte Stottern und das deutlich zu hörende Lispeln verrieten, wie aufgeregt der Kadett war, wie kühn er sich vorkam, dass er diese Frage stellte, und wie er auf die Antwort seines Professors brannte. Mit einem Schlag waren alle jungen Männer hellwach. Jeremy Danvers’ Teilnahme am Krieg gegen den Mahdi, für die er lange nach dessen Ende zum Major

Weitere Kostenlose Bücher