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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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ließ ihr heißes blassgoldenes Licht das noch feuchte Laub und das nasse Gras in sattem Grün erglänzen und die Fassade von Sandhurst aufleuchten wie feinstes Bone China.
    Schmissige Marschmusik strömte über den Vorplatz, donnerte, pulsierte und jubilierte und ließ kein Herz ungerührt. Nicht beim Kommandanten und seinem Stellvertreter, die jeweilige Uniformbrust von Orden und Abzeichen überkrustet, nicht bei all den Offizieren und Lieutenants, den Professoren und Ausbildern, deren blaue Uniformen in der Sonne an Libellenleiber erinnerten. Die Pferde von Sandhurst präsentierten sich mit schimmernd gestriegeltem Fell und im Paradezaumzeug und ließen die gebellten Befehle und die Salutschüsse, den Applaus und die Beifallsrufe des Publikums ungerührt über sich ergehen. An einen Sommergarten erinnerten die eleganten Nachmittagskleider in Weiß und Rosé, Bleu und Lichtgelb, eigens von Müttern, Großmüttern, Schwestern, Angebeteten für diesen Anlass erworben, und die Volants, Spitzen und Raffungen der Kleider, die Drapierungen aus Tüll und die munter flatternden Bänder an den Hüten und die zierlichen Sonnenschirme hatten etwas von der Zartheit und Leichtigkeit von Schmetterlingen. Nüchterner nahmen sich hingegen die Bowlerhüte aus, die Zylinder der Väter, Großväter undBrüder, die gestärkten weißen Hemden unter Gehröcken. Und militärische Glanzpunkte setzten die grünen, roten, grauen Uniformen einstiger oder derzeitiger Regimenter, auf denen die Rangabzeichen, die Erinnerungen an Feldzüge bei der kleinsten Bewegung auffunkelten. Alle Blicke galten jedoch den Söhnen, Enkeln, Brüdern, Kavalieren, deren großer Tag heute so feierlich begangen wurde. Das alltägliche Kadettenblau hatten die jungen Männer abgelegt; im goldbelitzten, goldbeknöpften und schwarz abgesetzten Scharlachrot ihrer Galauniform marschierten sie in Reih und Glied über den Platz, eine akkurate Formation atemberaubend prächtiger Rotmilane.
    »Unglaublich! Sie tut es schon wieder«, stöhnte Cecily, die hinreißend aussah in einem mit cremehellen Ranken bedruckten Vergissmeinnichtblau, als Becky sich in die erste Reihe drängelte und mit dem Feldblumensträußchen in der Rechten den frischgebackenen Offizieren zuwinkte und mit der Linken dem vorübermarschierenden Stephen Kusshände zuwarf.
    »Lass sie doch endlich in Ruhe«, gab Grace verärgert zurück. »Das geht nur sie und Stevie etwas an – also halt dich bitte gefälligst heraus!«
    »Cecily.« Diese wandte den Kopf, als sich Constance Norburys Hand auf ihre Schulter legte. »Sprich bitte nicht so verächtlich über Becky. Es hat nicht jeder das Glück, in einem solchen Elternhaus aufgewachsen zu sein wie du – mit einer Mutter und mit einer Gouvernante, die einen in jeder noch so kleinen Feinheit der Etikette unterweisen.«
    Eine leichte Röte erschien auf Cecilys Wangen. »Gewiss, Lady Norbury. Entschuldigung.« Doch kaum hatte sie den Blick wieder nach vorn gerichtet, murmelte sie trotzig: »Peinlich finde ich ihr Verhalten trotzdem.« Sie warf Grace einen herausfordernden Seitenblick zu.
    Grace’ Aufmerksamkeit indes war über Adas lindgrün bebänderten Strohhut hinweg auf einen Punkt irgendwo in der Menge gerichtet. »Entschuldigt mich bitte einen Augenblick.«
    Cecily sah ihr nach, wie sie sich durch die Familienangehörigen der Absolventen hindurchschob, hier und dort kurz stehen blieb, um einen freundlichen Gruß zu entrichten, stellte sich schließlich auf die Zehenspitzen, um besser ausmachen zu können, wen von ihren gemeinsamen Freunden und Bekannten Grace entdeckt haben könnte. Aber die betreffende Dame mittleren Alters war ihr völlig unbekannt, kam ihr auch völlig unbedeutend vor in den fahlen Tönen von Grau und hellem Braun, die sie in wenig erlesener Manier trug. Achselzuckend widmete Cecily sich wieder der Parade und schwelgte im Anblick der jungen Männer, von denen heute einer schneidiger aussah als der andere.
    Unschlüssig blieb Grace stehen, mit einem Mal nicht mehr sicher, ob sie sich nicht doch getäuscht hatte. Das aschblonde Haar unter dem schlichten Hut, der zwar sonnengetönte, aber im Grunde helle Teint und die Gesichtszüge, die nicht gerade zart geschnitten, aber auch nicht übermäßig derb waren, das alles wies so gar keine Ähnlichkeit mit Jeremy auf. Trotzdem gab es da etwas, das Grace an ihn erinnerte, nicht zuletzt die Art, wie diese Frau sich wie mit einem unsichtbaren Schutzwall umgab, der sie von den Umstehenden trennte

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