Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
Okzident sich von jeher berührt hatten und miteinander verschmolzen waren. Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und unterschiedlicher Herkunft lebten hier, Araber, Berber, Afrikaner und Maghrebiner; Syrer, Armenier, Türken, Perser, Kurden; Engländer, Franzosen, Griechen, Deutsche und Italiener; Muslime, Christen und Juden, die sich in den großen, umtriebigen Städten von Cairo, Alexandria und Khartoum sammelten und drängten, während der überwältigende Rest des Landes aus Städtchen und Dörfchen und versprengten Ansiedelungen bestand oder ganz einfach verlassen dalag. Dieses Land, das zu großen Teilen noch einem altertümlichen Leben verhaftet war, während die Städte sich anschickten, in die Moderne aufzubrechen. Ein Land, das von jeher wenig Frieden gekannt hatte und das nun unter den Wellen des Aufruhrs erbebte.
Zu lange hatte sich in allen Rängen der ägyptischen Armee der Zorn aufgestaut darüber, immer nur schlecht bezahlte und gedemütigte Prügelknaben zu sein; zu lange war unter den Ägyptern eine Wut hochgekocht auf die herrschende Oberschicht, auf die Engländer und auf die Franzosen mit ihrem stetig wachsenden Einfluss. Unter Lieutenant Colonel Ahmed Arabi erhoben sich die Soldaten und mit ihnen das Volk, um Ägypten den Fremden zu entreißen, es wieder allein in ägyptische Hände zu legen. Sie marschierten und protestierten, sie pöbelten und grölten und drohten. Ägypten den Ägyptern! Schlagt den englischen Hund tot! Bringt die Christen um! Tötet sie! Tötet sie!
Die Zeichen standen auf Sturm, als sich Alexandria hinter Barrikaden verschanzte und hinter verstärkten Befestigungen, als die Europäer in der Stadt das Nötigste zusammenrafften und flohen. Ein Funke genügte, und das Pulverfass würde sich entzünden; ein Funke, der durch die Luft flog, als englische und französische Kriegsschiffe sich drohend auf den Hafen zuschoben. Alexandria erlebte einen Ausbruch der Gewalt, und einigeDutzend Europäer und unzählige Ägypter verloren ihr Leben. Ein Hagelschauer aus Granaten und Kugeln regnete auf die Stadt herab, und die ging in Flammen auf, und über Alexandria und Cairo schlugen die Fluten des Chaos zusammen.
Dann marschierte die britische Armee in Ägypten ein, in diesem Sommer 1882. Die Infanterie und die Artillerie und die Kavallerie. Die Coldstream Guards und das Berkshire, das King’s Royal Rifle Corps und die Black Watch, die Gordon und die Cameron Highlanders und viele mehr; sogar aus Indien wurden Regimenter hierherbeordert, aus Bengalen, dem Punjab und Belutschistan. Fünfundzwanzigtausend Mann, die sich aus den Bäuchen der Schiffe ergossen, sich in Reih und Glied aufstellten und in die Stadt hinausschwärmten wie Kolonien von Käfern in Rot, Grün, Grau und Braun. Eins-zwei , eins-zwei , eins-zwei, hallten die Stiefelschritte in gleichförmigem Takt von den Mauern wider, links-rechts , links-rechts. Scheuende, wiehernde Pferde wurden ausgeladen, Kisten mit Waffen und Munition; Sappeure und Mineure, Sanitäter und Ärzte überwachten den Transport ihrer Ausrüstung. Ein ganzes Heer, bereit für den Ernstfall und entschlossen, die ägyptische Armee in die Knie zu zwingen und die Ordnung im Land wiederherzustellen, zu ihren Bedingungen und auf Dauer.
Und inmitten all der anderen Soldaten und Offiziere setzten auch Jeremy und Simon, Stephen, Leonard und Royston im Hafen von Alexandria ihren Fuß an Land. Ins Khakituch des Royal Sussex für den Kampf gekleidet, jung und neugierig und gut ausgebildet, wach im Geiste und im Leib taten sie ihre ersten Schritte auf dem fremden Boden, ihrem Schicksal entgegen.
I
Feuer und Schwert
Und Leben ist Farbe und Wärme und Licht,
und ein Streben danach immerfort.
Und der ist tot, der nicht kämpfen wird;
und wer im Kampfe fällt, ist hoch gelobt ...
Es steht die donnernd’ Front der Schlacht,
und darüber stöhnt und singt der Tod;
aber der Tag soll ihn fangen mit starker Hand,
und die Nacht ihn hüllen in sanften Flügelschlag.
JULIAN GRENFELL,
IN DIE SCHLACHT
17
Die Laterne in Jeremys Hand warf einen pendelnden Lichtkreis auf den Kies unter seinen Stiefelsohlen und tanzte über die finsteren Wächter der Buchsbaumkegel am Rande des Weges, über die dicht belaubten Büsche dahinter. Sattgrün bei Tag, wirkten sie jetzt, in der Dunkelheit, als wären sie aus schwarzem Karton ausgeschnitten. Von überall her flutete Zikadengesang in den Garten, und auf ihrem eingezäunten Rasenstück schnoberten die Regimentspferde
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