Jenseits des Spiegels
ein Körnchen Wahrheit gegeben war, hielt ich damit des Rätsels Lösung in der Hand. Die Märchen die ich kannte waren auch wahr geworden, warum sollte das nicht auch mit jenem sein, das ich vor Augen hatte?
Jenseits des Spiegels.
Ich strich mit dem Finger über die Überschrift. In der Geschichte ging es um eine neugierige junge Hexe. Eines Tages fand sie einen magischen Spiegel, der sie in eine andere Welt führte, in eine Welt ohne Magie. Sie lebte und liebte dort, war glücklich und so weiter, aber eines schönen Tages bekam sie fürchterliches Heimweh. Im Prinzip drehte sich die Geschichte um die Probleme die sie hatte wieder nach Hause zu finden. Sie schaffte es, und lebte glücklich bis an ihr Lebensende, bla bla bla. Ein nettes Märchen, das man Kindern wohl erzählte um ihnen zu verklickern, dass sie sich nicht weit von zuhause entfernen sollten, weil sie dann vielleicht Schwierigkeiten hatten, wieder zurückzufinden. Nur ein Satz ließ mich aufmerken, und zwar der letzte, denn darin hieß es:
Als sie wieder nach Hause kam, und ihre Liebsten in die Arme nahm, war sie so glücklich, dass sie darüber ihr Leben Jenseits des Spiegels vergaß.
Das war es:
vergaß
. Sie hatte alles vergessen.
Ich hatte alles vergessen.
War es vielleicht das was mir passiert war? Konnte das sein, dass ich durch einen magischen Spiegel in eine andere Welt gefallen war? Und wenn ja, was bedeutete diese Entdeckung für mich? Die Beschreibung der Welt Jenseits des Spiegels ähnelte der an die ich mich erinnerte. Natürlich vor Jahrhunderten, Vergangenheit, Geschichte. Aber …
Die Tür schlug auf, und knallte gegen die Wand. Ich zuckte zusammen.
„Ach hier versteckst du dich.“ Kovu kam herein geschlendert, Pal im Kielsog, und ließ sich neben mich auf das Sofa plumpsen. Er sah das Märchenbuch in meinem Schoss, und klaute es. „Das ist aber mal eine dicke Schwarte.“
„Hey, gib das wieder her!“ Ich beugte mich zu ihm rüber, aber er drehte sich einfach weg. Blödmann.
Auch Veith fand den Weg in den kleinen Salon, nur machte er dabei nicht so ein Krach. Augenblicklich musste ich wieder an den Korridor vor einer Stunde denken. War jetzt wirklich alles friedlich zwischen uns? Auch wenn ich mich darüber freute, so ganz traute ich dem Frieden noch nicht, dafür war Veith einfach zu sehr Veith.
„Ein Märchenbuch?“ Kovu verzog das Gesicht, hielt das Buch aber erneut aus meiner Reichweite, als ich ein zweites Mal versuchte danach zu greifen.
„Gib her!“
„Was krieg ich denn dafür?“
„Frag lieber was du bekommst, wenn ich du es nicht tust“, drohte ich, was mir nur wieder sein Lausbubenlächeln einbrachte.
Pal nahm Kovu das Buch ab, um es sich selber anzusehen, wurde es aber sogleich wieder los, als Veith es sich griff. Wölfe, also wirklich, keinerlei Privatsphäre. Ich stand auf, und streckte ihm die Hand her. „Das ist meins.“
Nach einem kurzen Blick auf Deckblatt gab er es mir zurück.
„Warum liest du das?“, wollte Pal wissen. Er machte es sich auf der Lehne bequem.
„Ich lese es nicht, mich interessiert nur eine Geschichte daraus.
Jenseits des Spiegels
, kennt ihr die?“
„Klar“, sagte Kovu, und fläzte sich so auf die Couch, dass kein anderer mehr Platz hatte. „Das Märchen hat Papá uns immer erzählt, als wir noch klein waren.“
Ich schob seine Beine weg, um mich wieder hinzusetzen. Kovu nahm das sofort als Einladung seine Position zu wechseln, und es sich mit seinem Kopf in meinem Schoß bequem zu machen. Werwölfe, mehr war dazu ja wohl nicht zu sagen. „Gaare denkt, dass es vielleicht das ist, was mir passiert ist.“
„Was, dass du durch einen Spiegel gefallen bist?“ Kovu ließ sich das kurz durch den Kopf gehen. „Cool.“
Veith dagegen bekam sein typisches Stirnrunzeln. „Glaubst du das wirklich?“
„Warum nicht? Das ergibt doch alles Sinn“, sagte ich aufgeregt. „Ich erinnere mich an eine Welt ohne Magie, so wie es im Buch steht. Als ich aufgewacht bin, lag ich vor einem großen Spiegel, wisst ihr noch? Ich bin mit dem Kopf gegengeknallt.“
„Ja, und hast ihn damit zu Kleinholz verarbeitet. Boa trauert dem hässlichen Ding immer noch nach“, lachte Kovu.
„Und wie in der Geschichte ist meine Erinnerung an dieses Leben völlig ausgelöscht.“ Erwartungsvoll sah ich zu Veith hoch.
Der runzelte immer noch die Stirn. „An deiner Theorie gibt es nur ein Problem.“
„Und welches?“
„Sie ist nicht stimmig.“
„Natürlich ist sie das. Klar, das
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