Jenseits des Spiegels
Haupt.
Unterwürfiges Verhalten,
schoss es mir durch den Kopf. Pal wurde von seinem Cousin allein durch einen Blick dominiert, und ergab sich dem Druck. Er richtete sich auf, ohne mir in die Augen zu sehen, und verschwand eilends im Zimmer der Werwölfe. Dann war ich mit dem großen, bösen Wolf ganz alleine auf dem Flur.
Schluck.
Als er sich mir wieder zuwandte, drückte ich mich ganz automatisch mit dem Rücken an die Wand. Er war mir viel zu nahe. Konnte er nicht auf Abstand gehen? So ungefähr zehn Meter sollten für den Anfang ausreichen.
Sofort tauchte wieder diese Falte auf seiner Stirn auf. „Warum machst du das?“
„Was?“
„Vor mir zurückweichen.“
Ähm, weil er Zähne und Krallen hatte? Okay, das sagte ich ihm natürlich nicht, ich wollte ihn ja schließlich nicht auf falsche Gedanken bringen. Daher schwieg ich einfach beharrlich, und dachte mir meinen Teil.
Veith wartete, fast fünf Minuten auf eine Antwort, die wir in Schweigen verbrachten, aber ich weigerte mich, mich dazu zu äußern – irgendwie hing ich an meinem Leben. Auch sein eindringlicher Blick ließ mich nicht schrumpfen … nein, tat er nicht, zumindest nicht äußerlich. „Ich hab dir nie etwas getan“, sagte er dann irgendwann.
„Das vielleicht nicht“, wagte ich mich zu erwidern, „aber sehr freundlich warst du auch nie.“
„Du hast nicht zum Rudel gehört.“
„Gehört? Vergangenheitsform? Ich
gehöre
immer noch nicht dazu. Das zeigt ihr mir ja nur zu deutlich.“ Verdammt, wie war es gekommen, dass ich so ein Gespräch führte, und dann ausgerechnet noch mit Veith?
„Wer tut das?“, fragte er mich völlig ernst.
Einen Moment konnte ich ihn nur mit offenem Mund anstarren. „Willst du mich veräppeln? Du tust das. Bei sich nur jeder bietenden Gelegenheit zeigst du mir, dass ich nicht dazugehöre, dass ich anders bin, und dass ihr mich eigentlich gar nicht bei euch haben wollt.“ Verdammt, musste meine Stimme so weinerlich klingen? Das war ja schon fast erbärmlich. Wütend auf mich selber, verschränkte ich die Arme vor der Brust, und wandte den Blick ab. Ich würde so was von gar nichts mehr sagen, ich fühlte mich bereits erniedrigt genug, mehr brauchte ich nun wirklich nicht mehr.
Als ich seine Hand auf meinem Arm spürte, spannte ich mich merklich an. Was sollte das jetzt wieder?
„Du gehörst zu uns. Das ich nicht möchte, dass du weiter mit in die Akten siehst, liegt daran, dass du diese Bilder offensichtlich nicht verkraftest.“ Er sprach so einfühlsam, dass ich einen Moment glaubte, nicht Veith hockte neben mir, sondern sein guter Zwilling. „Ich habe dich gefunden, in diesem Baumstamm, und weiß wie verstört du warst. Ich möchte dich nicht noch einmal so sehen.“
Das musste ich erst mal verdauen. Sollte das heißen, er machte sich Sorgen um mich? Das passte nicht zusammen, das war so ganz anders, als das, was ich von ihm gewohnt war. Aber was dann meinen Mund verließ, hatte mit ihm persönlich nur wenig zu tun. „Ich gehöre zu euch?“
Er neigte leicht den Kopf zu einem Nicken. „Du hilfst uns, du bist eine Freundin des Rudels.“
Das war wohl so viel wie ein Ja. Mir ging das Herz auf, und das zeigte sich wohl in meinem leisen Lächeln. „Du willst mir nicht verbieten, wieder in diesem Raum zu gehen?“
„Nein.“
Langsam hob ich meine Hand, und legte sie auf seine. Er stieß mich nicht weg. Rudelprivilegien, ich gehörte dazu, ich hatte mir dieses Recht verdient. Mein Lächeln wurde noch breiter. „Ich glaube du hast Recht.“
„Ich weiß.“ Er erhob sich, und zog mich mit auf die Beine. „Und es tut mir leid, dass ich
bockig
war.“ Wie er das Wort aussprach, das ließ mich gleich noch breiter grinsen.
„Vergeben und vergessen?“
Er nickte ohne zögern.
„Gut.“
So standen wir voreinander, und schauten uns einfach nur an. Das war irgendwie sehr seltsam. Verdammt, warum klopfte mein Herz plötzlich so schnell?
„Ähm“, machte ich, und ließ meinen Blick zur Tür schweifen, um mich von seiner Nähe etwas abzulenken. „Du solltest vermutlich wieder hineingehen.“
„Ja.“
„Gut, dann werde ich …“ Ja, was würde ich denn? „Ähm …“
„Geh doch zu Gaare. Vielleicht hat er ja etwas Neues über dich herausgefunden.“
Die Zeichen standen dafür zwar schlecht, aber es war mir immer noch lieber, als mich wieder mit diesen Bildern zu beschäftigen. „Das ist eine Idee.“ Ich trat einen Schritt von ihm weg, was wohl das Zeichen für ihn war, sich
Weitere Kostenlose Bücher