Jenseits des Spiegels
zurück an die Arbeit zu machen.
Er hatte die Hand schon an der Türklinke, als mir noch etwas auf der Zunge lag, das ich unbedingt loswerden musste.
„Hey, Veith.“
Er richtete seinen Blick auf mich, und wieder machte mein Herz so einen seltsamen Hüpfer. Was war das nur?
„Das war das erste vernünftige Gespräch, dass wie je miteinander geführt haben.“ Damit drehte ich mich lächelnd um, und ging nach unten in die Bibliothek. Daran würde ich mich gewöhnen können.
°°°
Ich klopfte an der großen Doppeltür, und öffnete sie. Gaare entdeckte ich kaum, dass ich eingetreten war. Er saß tief über einen der langen Tische gebeugt, mit der Nase in irgendeinem Buch, das graue Haar wirr und die Brille auf der Nasenspitze. Heute aber hüllte er seine gedrungene magere Gestallt zur Abwechslung mal eine rote statt seiner sonstigen blauen Robe. Doch das machte kaum einen Unterschied, sie wirkte genauso schäbig wie all die anderen.
Als Gaare mich nährkommen hörte, blickte er auf. Wie immer verwirrte ihn mein Anblick im ersten Moment, als fragte er sich, wo ich den plötzlich hergekommen war, doch dann lächelte er. „Talita, meine Liebe, schön dich zu sehen, wirklich schön. Es ist immer eine Freude wenn du mich besuchen kommst. Komm, setzt dich, setzt dich, und ich mache uns Tee.“
„Nein nicht nötig“, lehnte ich sofort ab. Nach der Begegnung mit Veith glaubte ich auch gar nicht, dass ich in der Lage war, es mir im Moment mit einem Tässchen Tee bequem zu machen. Dafür hatte ich viel zu viele Hummeln im Hintern. „Ich wollte nicht lange bleiben, sondern nur nachfragen, ob du vielleicht etwas Neues herausgefunden hast. Du weißt schon, über mich.“
Ein mitleidiger Zug erschien in seinem Gesicht, und ich ahnte die Antwort schon bevor er sie aussprach. Ich hatte es doch gleich gewusst, diesen Weg hätte ich mir sparen können, und meine gute Laune bekam einen kräftigen Dämpfer.
„Es tut mir ehrlich leid, aber bisher habe ich keine Fortschritte gemacht, nicht mal mit Hilfe der Wächter.“ Gaare raufte sich die Haare, als würde es ihn genauso frustrieren wie mich. „Es ist, als würdest du gar nicht existieren. Jedes Wesen hinterlässt sein Leben lang Spuren, anhand welcher nachzuvollziehen ist, wo er herkommt, wo er war, was er getan hat. Auch du hinterlässt eine solche Spur, und sie beginnt auf dem Dachboden der Lykaner. Ich habe gesucht und gesucht, mit allen Mitteln die mir zur Verfügung stehen, aber es ist, als …“
„… hätte ich vorher nicht existiert“, vollendete ich seinen Satz mit den Worten, die er mir gegenüber schon mehr als einmal ausgesprochen hatte.
Vielleicht war es meine niedergeschlagene Stimme, oder etwas das er in meinem Gesicht sah, auf jeden Fall wurde seine Mimik weicher, und sagte mit sanfter Stimme: „Keine Angst, so schnell gebe ich nicht auf. Vielleicht stecken wir zurzeit in einer Sackgasse, aber ich werde weitersuchen.“ Er schwieg kurz. „Erzähl mir doch einfach nochmal in allen Einzelheiten, an was du dich erinnerst. Von Anfang an.“
„Das hab ich dir doch schon hundertmal erzählt, was also soll das bringen?“ Ja ich wusste, dass sich das ziemlich weinerlich anhörte.
„Tu es mir zuliebe. Vielleicht fällt dir ja noch etwas ein, dass du vorher vergessen hast, eine Kleinigkeit, die dir unbedeutend vorkam.“
Ich verschränkte die Arme vor der Brust, und dachte nach. Ich glaubte zwar nicht, dass wir neue Erkenntnisse gewinnen würden, aber wenn es ihn beruhigte. Und außerdem gab es da immer noch diesen kleinen Hoffnungsschimmer in mir. Vielleicht hatte Gaare ja Recht, schaden konnte es zumindest nicht. „Also gut. Ich bin wie du ja schon weißt auf diesem beschissenen …“
„Keine Ausdrücke.“
„Auf diesem Dachboden aufgewachsen. Mit mörderischen Kopfschmerzen. Domina die Löwin war da, und ein paar Kinder vom Rudel. Natürlich auch Fang.“ Ich lachte kurz auf, als ich mich daran erinnerte, wie ich Fang zum ersten Mal in seinem Lendenschurz gesehen hatte. „Man, das hat mir wirklich einen Schrecken eingejagt. Man könnte fast sagen, dass ich vor Schreck wieder in Ohnmacht gefallen bin. Das nächste an das ich mich erinnere ist wie ich im Arbeitszimmer aufgewacht bin – obwohl hochgeschreckt es wohl eher beschreibt.“
„Moment, noch mal zurück zum Dachboden. Dort hat alles begonnen, und mir scheint, dass wir auch dort nach der Lösung forschen sollten. Versuch dich genau zu erinnern. Was hast du dort getan, was
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