Jenseits des Spiegels
passiert. Wir haben weder eine Spur zu Lirana gefunden, noch gab es einen außergewöhnliches Eindringen in unser Territorium. Ein paar Jungwölfe, aus anderen Rudeln, die eine Mutprobe starten wollten, ein verirrter Wanderer, der sehr schnell entfernt wurde, nichts Außergewöhnliches.“
Die anderen Alphas und Julica nickten verstehend.
„Vor ein paar Wochen dann hat eine meiner Familien einen Ausflug zu den Wasserfällen gemacht.“ Sie winkte ein junges Mädchen mit stahlgrauen Haaren heran, das sich ziemlich am Rand aufhielt, in der Hoffnung, dort unentdeckt zu bleiben. Bei der geballten Macht hier, konnte ich es ihr locker nachfühlen.
Sie konnte nicht viel älter als Isla sein, das Gesicht war noch sehr jung, und sie zögerte beim Aufstehen, so dass der Mann neben ihr sich gezwungen sah, ihr einen kleinen Schubs zu geben. Den Haaren und dem Gesicht nach, musste das ihr Vater sein.
Verschüchtert huschte das Mädchen an Freyas Seite, und versuchte sich halb hinter ihr zu verstecken. Dabei sah sie keinen der anderen Wölfe auf dieser Lichtung auch nur an. Es war mehr als offensichtlich, dass sie hier nicht sein wollte.
„Das ist Hija“, stellte Freya sie vor, und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Hija, erzähl ihnen, was du mir erzählt hast.“
Das Mädchen sah ihre Alpha an, leckte sich nervös über die Lippen, und riskierte dann einen kurzen Blick in die Runde, bevor sie ihn auf den Boden senkte. „Ich war mit meinen Eltern, und einer Freundin an den Wasserfällen, und bekam Hunger, also ging ich jagen.“ Wieder ein kurzer Blick in die Runde. „Ich hab ein Kaninchen gefunden, lag auf der Lauer, und wollte gerade losspringen, als es plötzlich die Ohren aufstellte, und dann flüchtete. Nicht mich hatte es gehört, sondern jemand anderes, aber das habe ich nicht gleich gemerkt, weil ich mich über seine Flucht geärgert habe. Erst als ich diesen Geruch wahrnahm, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Er kam ganz plötzlich. In dem einen Moment roch alles noch normal, und im nächsten war er überall.“
„Was war das für ein Geruch?“, wollte Najat wissen.
Hija wagte es nicht ihn anzusehen, spannte sich sogar an, als er sie ansprach, so als befürchtete sie das schlimmste von ihm. „Katze“, sagte sie leise. „Alles dort roch nach Wildkatze, so intensiv, dass ich davon niesen musste.“ Sie ballte die Hände zu Fäusten, als rang sie einen inneren Kampf mit sich aus. Was war nur mit diesem Mädchen los, dieses Verhalten war doch nicht normal? „Als ich das roch, erinnerte ich mich an Lirana, und wollte einfach nur wegrennen, doch ich verfing mich in einer Wurzel, und fiel hin.“ Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie einen unliebsamen Gedanken schnellstens loswerden. „Ich bekam Panik, und schrie nach meinen Eltern, was wohl auch meine Rettung war, aber bevor sie kamen, hörte ich noch das Knurren.“ Langsam hob sie ihren Blick. „Das Knurren eines Wolfes.“
Das stürzte alle auf der Lichtung erst mal in Verwirrung. Nur mich nicht, denn ich verstand weniger als Bahnhof.
„Willst du damit sagen“, begann Cui stirnrunzelnd, und beugte sich ein wenig vor, „das die Katze die wir suchen, ein Wolf ist?“
„Ich habe niemanden gesehen, aber ja, in meinen Ohren klang das Knurren nach einem Wolf.“
„Was?“ Ich wusste, es wäre wahrscheinlich besser gewesen, einfach die Klappe zu halten, aber das war einfach nicht drin. „Soll das heißen, die Lykaner werden von einem Lykaner entführt?“
Freya neigte den Kopf zur Bestätigung. „Es hat ganz den Anschein.“
„Aber …“ Ich schüttelte den Kopf, konnte das nicht glauben. „Anwar ist der Täter, er hat sich an den Wölfen vergriffen.“
Tyge runzelte nachdenklich die Stirn. „Vielleicht auch nicht. Wenn unser Täter tatsächlich ein Lykaner ist, dann könnten auch die Toten auf sein Konto gehen. Ein anderer Lykaner ist durchaus in der Lage, uns solche Wunden zuzufügen.“
Was? Das wurde ja immer besser! Erst bestritten alle, dass die Toten auch nur im Entferntesten etwas mit den Verschwundenen zu tun gehabt haben, und jetzt gehört doch alles zusammen, aber Anwar sollte aus dem Schneider sein? „Nein, es muss Anwar sein, es spricht so viel gegen ihn, wer soll es den sonst gewesen sein?“
„Genau das ist jetzt die Frage“, kam es von Freya.
°°°
Grummelnd umrundete ich einen sehr breiten Wolfsbaum. Nicht nur, dass ich mich mehr als einmal auf dieser Versammlung vor einer Stunde zum Vollhorst gemacht
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