Jenseits des Spiegels
Gegend schlagen konnte, und die Farbe des Fells schimmerte wie das innere einer Muschel. Aber zumindest die Größe und die grobe Form entsprachen einem Hirsch wie ich ihn kannte.
Ich hatte bei der Jagt ein wenig geholfen – ja, sie hatten mich nicht wieder auf den nächsten Baum verbannt, um dort auf sie zu warten –, doch das Fressen der Beute ihnen überlassen. Wildkatze hin oder her, ich war als Mensch aufgewachsen, und hatte meine Grenzen. Und die waren bei rohem blutigem und noch dampfendem Fleisch definitiv erreicht. Das hatte ich nicht mit meinem Big Daddy Djenan machen können, und hier konnte ich das auch nicht, obwohl mich weder das blutige Gerangel, noch die Fressgeräusche abstießen. Ich hielt mich einfach abseits, und suchte mir in den Bäumen und Büschen ein wenig vegetarische Kost.
Veith hatte Recht behalten, das Spiel war wirklich eine gute Ablenkung gewesen, um den Kopf wieder etwas klarer zu bekommen. Auch jetzt verbot ich mir die Gedanken, an die Versammlung, und alles was damit zusammenhing. Nur für den Augenblick wollte ich alles ruhen lassen, und dann mit neuer Energie voll durchstarten zu können. Vielleicht würde ich ja so auf die Lösung des Rätsels kommen.
Nach unserem – oder besser gesagt ihrem – kleinen Festmahl, hatten wir uns auf eine sonnenbeschienene Lichtung zurückgezogen, zusammengerollt, und betrieben nun Fellpflege – mit mir mittendrin. Irgendwann in den letzten Tagen war ich so ins Rudel reingerutscht, dass es für mich jetzt nicht mal seltsam war an Veiths Flanke zu liegen, und ihm Blätter, Gräser und Zweige aus dem Fell zu pullen, während Kovu mir mit der Zunge das Nackenfell säuberte. Obwohl ich der festen Überzeugung war, dort sauer zu sein, ließ ich ihn einfach machen. Pal lag mit dem Kopf auf meiner Taille, und döste vor sich hin, während Julica ihm die Schnauze ableckte und so von den getrockneten Blut seiner Mahlzeit befreite.
Ich streckte die Glieder, bettete meinem Kopf auf Veiths Fell, und genoss sowohl die Sonne, als auch die kühle Brise, die der Wind mit sich brachte und die Massage mit der Zunge. Wie schon gesagt, das Leben konnte so schön sein. Es dauerte nicht lange, da fiel ich in eine Art Wachschlaf. Etwas rumpelte unter meiner Brust, wahrscheinlich Veith, der über irgendwas lachte. Es interessierte mich nicht. Ich wollte einfach hier liegen, vor mich hindämmern, und nichts außer der Seligkeit des Moments genießen. An nichts denken, nur dieses wohlige Gefühl auskosten. Doch dann merkte ich, dass die Zunge in meinem Nacken verschwunden war, und spürte alle Blicke auf mir ruhen. „Waaas?“, fragte ich halb genuschelt, und riskierte ein halbes Auge.
„Du schnurrst“, schmunzelte Tyge mit seiner grollenden Stimme, soweit man im Wolfskörper halt schmunzeln konnte.
„Nein ich …“ Ich bemerkte das gleichmäßige Rumpeln in meiner Brust, das abbrach als ich in mich hinein hörte. Tatsächlich, ich schnurrte. Was ich fälschlicherweise für Veiths Lachen gehalten hatte, produzierte ich selber. Wer hätte das gedacht? Ich hatte nicht einmal gewusst, dass ich das konnte. Bei Djenan hatte ich das nie gehört. „Ich bin halt eine Katze und Katzen schnurren. Das steht sogar im Gesetz.“
„Domina nicht“, sagte Kovu.
„Doch tut sie.“ Tyge bekam ein richtiges Wolfsgrinsen. „In der richtigen Situation“, fügte er hinzu.
„Papá!“
Alle lachten über Kovus Ausruf. Tja, dass der eigene Vater sich mit dem anderen Geschlecht zu amüsieren wusste, war wohl selbst als Werwolf nichts, dass man als Siebzehnjähriger wissen wollte. Damit waren die Gespräche beendet, und langsam dämmerten auch die Wölfe weg.
°°°
Ein Krachen ließ mich aus meinem Halbschlaf hochschrecken. Es wurde lautstark geflucht und gelacht, und erst nach einem Moment der Orientierung, wurde mir klar, was hier gerade lief. Kovu war aus einem Baum gefallen, als er versuchte hatte … ja keine Ahnung, was er da versucht hatte, auf jeden Fall hatte er sich dabei reichlich blöd angestellt, und war samt Ast runtergeknallt.
Julica und Pal saßen noch in Wolfsgestalt um ihn herum, und zogen den ungeschickten Jüngling auf.
Veith hatte sich nicht vom Fleck bewegt, seit ich eingedöst war, fungierte immer noch als mein Kopfkissen, und Tyge lag auch weiterhin neben mir, den Kopf auf den Pfoten gelegt, und beobachtete seinen jüngsten Sohn gelassen.
Kovu arbeitete sich schwerlich auf die Beine, und rieb sich seine nackte Kehrseite – Gott, warum
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