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Jenseits des Spiegels

Jenseits des Spiegels

Titel: Jenseits des Spiegels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
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sicher verblutete, weil niemand nach ihm suchte. Kam es mir nur so vor, oder war er mittlerweile schon ganz schön lange fort? Das gefiel mir nicht, ihn so allein da draußen zu wissen, bereitete mir ziemliches Unbehagen. Mit diesem Tigerwolf in der Nähe, wer wusste schon, was da passieren konnte? „Ich geh mal gucken, wo Veith ist“, teilte ich den anderen mit, und erhob mich. Hier konnte ich im Moment sowieso nichts ausrichten, und der Gedanke an Veith wie er alleine dort draußen war, ließ mir einfach keine Ruhe.
    Keiner hielt mich auf, aber Pal bedachte mich mit einem undeutbaren Blick, als ich in den Wald entschwand.
     
    °°°
     
    Ich fand Veith am Rand eines kleinen Teiches, unter einem ausladenden Baum den ich nicht zu benennen wusste. Es war gar nicht weiter schwer gewesen, seiner Fährte hier her zu folgen. Er stand einfach da, und starrte auf die Wasseroberfläche, die in der abendlichen Dämmerung verwunschen wirkte. Der Wind spielte mit seinem braunen Haar, wehte ihm die Strähnen in die Augen. Wie er da stand, wirkte er einsam, verloren, nicht so gefestigt wie sonst. Ich war mir sicher dass er mich kommen hörte, aber er regierte nicht, blieb wo er war, nahm mich einfach nicht zur Kenntnis.
    Kurz war ich sogar am überlegen, ob ich mich wieder zurückziehen sollte, aber er wirkte so einsam und verlassen, dass ich es nicht übers Herz brachte, einfach zu verschwinden, und stattdessen an seine Seite trat. „Alles okay?“
    „Nein.“ Kurz und knapp.
    „Willst du darüber reden?“
    „Nein.“ Er wandte mir kurz das Gesicht zu, strich sich dann fahrig übers Kinn, und sah zurück aufs Wasser, ohne wirklich etwas zu sehen. Er hatte etwas Gehetztes an sich, etwas Ruheloses, was so gar nicht seinem Wesen entsprach, und ihn so anders wirken ließ, irgendwie verletzlich. „Nein, will ich nicht. Ich will nicht darüber reden.“
    Ich schwieg. Ich hätte sowieso nicht gewusst was ich sagen sollte, weil ich gar nicht wusste was ihn genau bedrückte. War es noch wegen Kovu? Oder wegen den beiden weißen Wölfen? Vielleicht kam er auch einfach nicht damit klar, dass ihm die Bestie so kurz vor dem Ziel entkommen war. Er hatte sie um Haaresbreite verpasst, hätte all dem ein Ende machen können, wenn er nur schnell genug gewesen wäre. Einen Kerl wie Veith konnte das ganz schön belasten.
    „Es war nicht deine Schuld“, sagte ich leise. Wie auch? Er konnte doch nicht für die Handlungen dieses Monsters.
    In der Baumkrone über mir konnte ich ein paar Vögel zwitschern hören. Der Wind flüsterte durch das Geäst. Ein paar Grillen gaben ein spätes Konzert. Hier war es … friedlich, so ganz anders als dort hinten an der Schlucht.
    „Es ist einfach, ich hatte Angst. Als du geschrien hast, hatte ich Angst“, sagte er unvermittelt, und brachte mich damit völlig aus dem Konzept. Er war wegen mir so?
    „Veith …“
    Seine Geste mit der erhobenen Hand brachte mich augenblicklich wieder zum Schweigen. „Nein, sei still!“ Er drehte sich zu mir herum, stand ganz nahe vor mir, den stechenden Blick auf mich gerichtet. Er hob die Hand, als wollte er mich berühren, ließ sie dann aber kraftlos zurück an seine Seite fallen, und ballte sie zur Faust. „Du verstehst nicht. Ich habe gesagt ihr sollt da bleiben. Ich wusste dass da etwas im Wald war, und habe euch trotzdem zurück gelassen. Und dann hörte ich dich schreien, und da wusste ich, dass was passiert ist. Und ich wusste es was meine Schuld, weil ich gesagt habe ihr sollt warten. Du hast geschrien, und ich hatte Angst. Es war meine Schuld, das mit Kovu, und das …“
    Ohne nachzudenken stellte ich mich auf die Zehenspitzen, und verschloss seinen Mund mit meinem. In diesem Moment wusste ich nicht, was mich dazu bewog, aber es erschien mir genau richtig. Es war wahrscheinlich das Falscheste was ich tun konnte, doch es ging nicht anders. Er gab sich die Schuld für etwas, wofür er nichts konnte. Er hatte Angst um mich gehabt. Deswegen war er so verstört. Und dieser Kuss war meine Art ihn zu beruhigen, wie ich es mit Worten nicht hinbekommen hätte. Er sollte einfach nur wissen, was diese Worte mir bedeuteten, welche Wärme sie in mir auslösten.
    Doch es war nur ein kurzer Kuss. Ich ließ von ihm ab, als von ihm keinerlei Regung kam. Einen Moment sahen wir uns einfach nur in die Augen, forschten im Gesicht des jeweils anderen, nach dem was wir zu erwarten hatte. Dann plötzlich drückte er mich mit seinem ganzen Körper gegen den Baum, und seine Lippen

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