Jenseits des Spiegels
hier sein Unwesen,
Es
war ein Monster. Konnte es sein, dass
Es
der Tigerwolf war, das die dunkle Bedrohung aus meinen Träumen nun ein Gesicht bekommen hatte? Dann wäre es auch
Es
gewesen, der mich im Wald mit den zwei Toten überrascht hatte. Mein Geruchsinn war noch nicht gut genug gewesen, um etwas anderes, als die normalen Waldgerüche aufzunehmen, aber die anderen hatten doch gesagt, dass es dort nach Katze gerochen hatte. Dann hatten sich die beiden doch nicht gegenseitig umgebracht, aber dann passte Anwar wieder nicht ins Bild. Seit dieser Tigerwolf aufgetaucht war, rückte er immer mehr ins Abseits, aber das war falsch, ich wusste das einfach! Vielleicht war …
Ein erneutes Schluchzen von dem kleinen, weißen Wolf, zog meine Aufmerksamkeit zu Pal hinüber, und jeder Gedanke an Monster und unheimliche Gestalten wurde von mir in den Hintergrund geschoben. Im Augenblick gab es einfach wichtigere Dinge.
Ich kniete mich zu Pal, strich dem großen Roten über den Kopf, zögerte aber, den kleinen zu berühren. Immerhin wusste ich nicht, ob das willkommen und hilfreich war. „Was ist hier passiert?“
Pal schüttelte nur kurz den Kopf, und schmiegte ihn dann in einer tröstenden Geste an den kleinen Wolf. „Ich weiß es nicht genau. Als Tyge und ich hier ankamen, kauerte die Kleine an der Schlucht, und rief nach ihrem Großpapá. Ich hab sie mir nur gegriffen, und vom Rand weggezogen. Tyge ist nach unten gekletterter, um zu gucken, ob …“ Er verstummte, und zog das kleine Bündel mit seine Pfoten näher zu sich. Er brauchte den Satz auch gar nicht zu beenden, ich hatte schließlich gesehen, wie verkrümmt der weiße Wolf dort unten lag.
„Das war der Wolf, der nach Katze riecht“, kam es leise von dem weißen Fellball. Die Stimme war sehr jung, erstaunlich klar für diesen Moment. Ein Mädchen. „Großpapá folgte einer Fährte, wir hatten Hunger, da sprang der Katzenwolf aus dem Gebüsch. Großpapá hat sich erschreckt, und ist einfach heruntergefallen.“ Irgendwo aus den Tiefen von Pals Brustfell, grub sich ein kleines Gesicht hervor. Zwei strahlend blaue Augen sahen zu mir herauf, Augen wie ich sie noch nie bei einem Werwolf gesehen hatte. „Er hat keinen Ton von sich gegeben, ist nur runtergefallen, und als ich dann geschrien hab, ist der Katzenwolf weggelaufen. Einfach weg, und ich war allein.“
Das konnte ich mir gut vorstellen. Feige Misttöle.
„Einfach runtergefallen, und weg war er.“ Ein paar Tränen nässten das bereits feuchte, weiße Fell unter ihren Augen weiter auf. „Einfach weg“, murmelte sie, und vergrub das Gesicht mit einem leisen Schluchzer wieder bei Pal.
Das Mädchen war völlig verstört. Kein Wunder, wo doch ihr Opa knapp außerhalb ihrer Reichweite tot auf dem Grund einer Schlucht lag. Ich sah mich nach Veith um, aber der war noch immer verschwunden. Wie lange war er nun schon weg, zehn Minuten? Eine Viertelstunde? Es machte mich auf jeden Fall nervös, ihn alleine dort draußen zu wissen.
Pal leckte der Kleinen über den Rücken, hob dann den Kopf, und schaute Richtung Schlucht. Einen Moment später kam Tyge in Sicht, stemmte sich an dem Rand hoch, und kletterte zurück auf den sicheren Untergrund. Hätte ich es nicht schon geahnt, dann würde mich spätestens der Ausdruck auf seinem Gesicht aufklären. Der Wolf war tot, da war nichts mehr zu machen.
Nun streckte ich doch die Hand aus, und fuhr damit über das weiße Fell der Kleinen, auch wenn ich wusste, dass es nicht helfen würde. An meinen toten Bruder konnte ich mich nicht einmal wirklich erinnern, aber wenn ich an ihn dachte, tat es trotzdem weh. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was die Kleine in diesem Augenblick durchmachte.
Tyge kam zu uns, hockte sich neben mich, und strich nun seinerseits über das weiße Fell. Behutsam versuchte er sie auszufragen, wollte wissen wo sie herkam, wie sie hieß, und wo ihre Eltern waren, doch die einzigen Geräusche die von ihr kamen, war das leise Weinen. Sie wollte nicht sprechen, wollte nicht darüber nachdenken, was geschehen war, und ich konnte es ihr nicht verübeln.
Wieder ließ ich die Augen über die Umgebung gleiten, sah Julica neben Kovu sitzen, und uns beobachten. Der Kleine hatte die Augen geschlossen, und den Kopf leicht gesenkt, um den Schmerz in seinem Kopf so erträglicher zu machen.
Ein Bild seines großen Bruders schoss mir durch den Kopf, ein Bild wie Veith irgendwo in diesem verfluchen Wald bewusstlos auf dem Boden lag, und langsam aber
Weitere Kostenlose Bücher