Jenseits des Spiegels
Erion war für mich da, nur er hat mich aufgenommen, und dafür gesorgt dass ich nicht an Einsamkeit verrecke.“
„Und das rechtfertigt es, dass du sie Erion auslieferst? Rache? Ist dass alles, was dich motiviert?“ Hatte Erion nicht erzählt, dass er sie erpressen musste, damit sie ihm half? Womit?
Kaj presste ihre Lippen aufeinander, und ballte ihre Hände an der Seite zu Fäusten. „Sie haben es nicht besser verdient.“
„Und was ist mit den anderen Wölfen?“, fragte Kovu ganz ruhig. „Welche Entschuldigung hast du für all die toten Einzelläufer?“
Sie Spießte ihn mit einem Blick auf. „Das war ich nicht, die haben sich gegenseitig umgebracht. Da musste niemand nachhelfen.“
In meinen Ohren klang das, als versuchte sie sich vor sich selber zu rechtfertigen, trotzdem, ich wusste nicht genau warum, aber ich glaubte ihr. Und doch gab es da noch eine Leiche, von der ich ganz genau wusste, dass sie dafür verantwortlich war. „Und was ist mit dem alten Mann im Wald?“
Sie schwieg, bedachte mich mit einem abschätzigen Blick. „Ich weiß zwar nicht was dich das angeht, aber ich kann dir versichern, dass es ein Unfall war. Ich wollte das nicht.“
Also entweder war sie eine verdammt gute Schauspielerin, oder sie meinte es verflucht noch mal ernst, denn eine solche Reue wie ich in ihren Augen sah, empfand man als kaltblütiger Killer nicht. Dennoch gab es da noch eine Frage, die dringend geklärt werden musste – nicht dass ich sie danach von all ihrer Schuld freisprechen würde, dafür hatte sie einfach zu viel angerichtet, aber ich musste noch etwas wissen, um mir Gewissheit zu verschaffen. „Was ist mit der kleinen, weißen Wölfin? Was hast du mit ihr gemacht?“
Sie kniff die Augen zusammen. „Das geht dich nichts an.“
Auch Kovu verengte seine Augen. „Hast du sie gefressen, Welpenfresserin?“
Dafür wurde er nur angeknurrt. Ohne ein weiteres Wort wandte Kaj sich von uns ab, und ging zu einer Truhe in der Ecke, die ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Nach kurzem Rumgefummel an dem Verschluss, klappte sie den Deckel auf, und zog ein Tigerfell aus der Kiste. Geübt, als hätte sie es schon tausende von malen getan, warf sie es sich über die Schultern. Kaum dass das Leder ihre Haut berührte, setzte die Verwandlung ein, und nur wenige Sekunden später stand vor mir der Tigerwolf, der einen überwältigenden Geruch nach Wildkatze ausströmte.
Also waren meine Überlegungen wohl doch nicht so ganz aus der Luft gegriffen gewesen. Unser Täter hatte wirklich einen Helfer, und der Tigerwolf existierte nur durch Magie. Leider kam diese Erkenntnis ein wenig zu spät. Ich war hier gefangen, und konnte nichts mehr unternehmen.
Kaj würdigte uns keines Blickes mehr, als sie zum Scheunentor hinaus trappte. Ich konnte nichts weiter tun als ihr hinterherzusehen, und mir meiner Ohnmacht klar zu werden. Ich konnte nichts tun, ich hatte es versaut, weil ich mich so auf Anwar versteift hatte.
Wie hatte es nur so weit kommen können?
°°°
Noch lange nachdem Kaj gegangen war, saß ich da, und starrte durch die Gitter auf den kalten, dreckigen Steinboden. Plötzlich sah ich ihren Hass und ihre Verbitterung mit ganz anderen Augen. Was sie erlebt hatte war … ich konnte verstehen warum sie tun musste, was sie getan hatte. Tief drinnen kannte ich dieses Gefühl, wusste was sie bewegte, und warum sie diese Welpen getötet hatte. Und das war echt unheimlich. Nur mit dem Leichenfressen hatte sie es dann doch ein wenig übertrieben – hatte sie das überhaupt getan, oder war das nur ein weiteres Gerücht?
„Ist dir kalt? Du zitterst.“
Mir war kalt, aber nicht auf die Art wie er glaubte. „Mir geht´s gut.“
Kovu rutschte hinter mich, zog mich an seine Brust, und vergrub seinen Kopf in meinem Nacken. Anfangs wäre dieses Verhalten für mich unangenehm gewesen – was heiß wäre, es war unangenehm. Solche Nähe und Vertrautheit, ja sogar Intimität teilte man nicht mit jedem, aber ich hatte in der Zwischenzeit verstanden, dass Wölfe das nicht wegen irgendwelcher sexuellen Anziehungskraft machten. Körperkontakt beruhigte sie, gab ihnen ein Gefühl von Sicherheit. Es hätte auch Tyge sein können, der hier mit ihm in der Zelle saß, und Kovu hätte sich nicht anders verhalten.
So war das nun Mal im Rudel, und irgendwie war ich zu einem kleinen Teil in diese Gemeinschaft hineingerutscht. Glaubte ich. Es deutet zumindest viel darauf hin.
Kovu sog tief die Luft ein, und noch
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