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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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die Zugbrücke herab. Man erwartete ihr Kommen also bereits. Vermutlich hatte Jonneth einige seiner Männer abkommandiert, um das Schiff zu bewachen.
    Ben und sein Schlachtross betraten die »Wind II« als Erstes, danach schubste man sie vor sich her in den Bauch des Schiffes. Schlagartig war es windstill, doch Leroy glaubte noch immer, das Heulen in den Ohren zu hören. Er griff sich an den Kopf. Sein ehemals kurzer Militärhaarschnitt war mittlerweile zu einer Kurzhaarfrisur herausgewachsen, die der Sturm allerdings zu einem verfilzten Schopf geformt hatte. Auch Elanes Haare glichen eher einem zotteligen Langflorteppich als einer Frisur, doch sie scherte sich nicht darum. Sie schien sich um überhaupt nichts mehr Gedanken zu machen. Sie musste einmal eine stolze und hübsche Frau gewesen sein, doch nun sprach sie nicht mehr, aß kaum und ihre Augen hatten jeden Glanz verloren. Wäre Leroy nicht so sehr mit seiner Schwermut beschäftigt, hätte er vielleicht versucht, Elane zu trösten.
    Der Flug mit dem Luftschiff war nach den entbehrungsreichen vergangenen Tagen eine Wohltat, auch wenn er genau wusste, dass es einem Gang zum Richtblock gleichkam. Er verbot sich diese Gedanken. Sie versetzten ihn lediglich in sinnlose Panik. Die letzten Tage und Stunden seines kümmerlichen Lebens wollte er nicht mit dem verbringen, was er augenscheinlich am besten konnte: sich bemitleiden.
    Man gönnte den Gefangenen nicht einmal eine Kabine auf den oberen Decks. Jonneth bestand darauf, sie im Frachtraum reisen zu lassen wie Vieh und Gepäck. Leroy war es einerlei. Wenn Jonneth glaubte, ihn damit zu quälen, hatte er sich getäuscht. Demütigung, Frustration und Verzweiflung hatten ihr Maximum bereits überschritten. Er konnte sich ohnehin nicht erklären, weshalb er noch lebte, hatte Jonneth doch immer wieder betont, es gehe ihm schon lange nicht mehr darum, den wahren Thronerben zu finden und lebend nach Valana zu bringen. Leroy bedeutete keine Gefahr für ihn, denn Jonneth wähnte sich unbesiegbar. Vermutlich war das Hinauszögern des Unvermeidlichen nur eine weitere seiner Schikanen. Jonneth genoss es, ihn aus reiner Boshaftigkeit möglichst lange zu quälen, bevor er ihn in den Tod entließ. Mit Elane hielt er es wohl ebenso, doch er behielt seine Gedanken für sich.
    Wenige Tage später – er hatte nicht mitgezählt, denn im Frachtraum herrschte immer Dunkelheit – bremste das Schiff plötzlich jäh ab, sodass es sie alle über die Holzplanken wirbelte. Ketten klirrten, als die Zugbrücke heruntergelassen wurde. Nur einige Atemzüge später öffnete sich die Tür zum Frachtraum. Tageslicht erfüllte den Raum wie eine Sturmflut aus Helligkeit. Leroy blinzelte.
    »Raus«, brüllte einer.
    Leroy ordnete seine steifen Glieder und wuchtete sich in eine aufrechte Position. Als das Schiff so ungewöhnlich hart gebremst hatte, war er gegen eine Holzkiste gefallen. Die Prellung schmerzte und die Wunden an seinen Füßen hatten sich entzündet. Elane stöhnte, sagte aber nichts. Sie hatte in den vergangenen Tagen sogar aufgehört zu weinen. Brynn, der schüchterne Klosterschüler, schien sich seine Zuversicht bewahrt zu haben, jedenfalls war er der Einzige, der weder gejammert, geweint noch sonst ein Zeichen von Verzweiflung gezeigt hatte. Leroy beneidete ihn um seinen tiefen Glauben. Vielleicht ging er aber auch in seinem jugendlichen Leichtsinn davon aus, dass man ihn unversehrt laufen lassen würde. Narr! Jonneth würde nicht davor zurückschrecken, auch Unschuldige zu quälen und zu töten. Doch Leroy behielt auch diesmal seine Gedanken für sich.
    Als er aus dem Bauch des Schiffes heraus auf den Anlegesteg vor Valana trat, blendete helles Sonnenlicht seine Augen. Es dauerte einige Augenblicke, bis sein Blick sich schärfte. Doch er wünschte sich, die Lider nicht geöffnet zu haben. Die ehemals wunderschöne Hauptstadt war im Chaos versunken. Als er zuletzt mit Hauptmann Lenry an der Kaimauer gestanden hatte, war Valana eine saubere, geschäftige und ordentliche Stadt gewesen. Jetzt bedeckten Unrat, Müll und allerhand anderer Schutt die Straßen, Fensterscheiben waren eingeschlagen, Häuserwände beschmiert. Noch vor weniger als zwei Wochen, als er mit Elane von hier aus aufgebrochen war, hatte sich der Tumult bereits abgezeichnet, doch was er nun sah, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen bei Weitem. Ein Bild des Grauens. Neben ihm schnappte Elane geräuschvoll nach Luft.
    Der Weg nach Valburg wurde zur Tortur. Die Leute

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