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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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Boden. Leroy sah den dunklen Priesterzopf von Cirnod an sich vorbeifliegen. Jonneth stieß einen Laut der Überraschung aus. Sein Schwert fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Waldboden, als Cirnod ihn mit seinem Gewicht zu Boden presste.
    Plötzlich schien die Welt zu erwachen. Einer der Soldaten stürzte sich auf Cirnod und versuchte, ihn von Jonneth herunterzuziehen. Der eher schmächtige Prinz ächzte und stöhnte unter Cirnods Last.
    »Haut ab!« Die gepresste Stimme des Priesters drang aus dem Knäuel aus Leibern heraus. Leroy atmete schnell und flach, sein Blick zuckte hin und her. Abhauen? Unmöglich!
    Dennoch wollte er wenigstens versuchen, Cirnods Opfer zu würdigen, indem er herumfuhr und sich hastig einige Schritte von der Prügelei entfernte. Wo waren Kjoren und Elane? Wo Brynn und William? Er konnte in der Dunkelheit niemanden seiner Kameraden sehen. Rasch beschloss er, die Suche auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen, denn er hatte ein eindeutig gewichtigeres Problem: ungesehen davonzukommen.
    Er schaffte es, ein paar Yards in den Wald hineinzulaufen, doch das Licht des Feuers wurde mit jedem Schritt schwächer. Auch der Mond schob sich nur gelegentlich hinter den vorüberziehenden Wolken hervor, sodass Leroy zumeist blind zwischen Wurzeln, Dornengebüsch und Ästen herumtappte. Seine Kleidung klebte an seinem mit kaltem Schweiß bedeckten Körper. Der Gedanke, dass Cirnod sein Leben geopfert hatte, damit er und die anderen flüchten konnten, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. Barmherziger Gott, weshalb nur war er so feige? Der Tod erwartete ihn doch sowieso, weshalb fiel es ihm so schwer, seinem Abgang wenigstens noch einen Sinn zu geben und an Cirnods Stelle sein Leben zu opfern?
    Noch immer hörte Leroy Kampfgeräusche hinter sich. Hatte er sich überhaupt entfernt oder stolperte er blind im Kreis herum? Soldaten brüllten sich an, schienen teilweise sogar untereinander in Scharmützel verwickelt zu sein. Ein Schuss ertönte, Metall schlug auf Metall. Was spielte sich dort nur ab? Und war es Kjoren und Elane gelungen, zu entkommen? Gelegentlich hörte er hinter sich Äste knacken. Auch er stieß mehr als einmal gegen eine Wurzel oder gegen einen herabhängenden Ast. Er entschied, ruhig stehen zu bleiben und keinen Laut von sich zu geben. Eine Weile ging die Taktik tatsächlich auf, denn die Geräusche von Stiefelpaaren auf dem Waldboden entfernten sich. Doch leider schien ihm der b armherzige Gott in dieser Nacht nicht wohlgesinnt zu sein. Jäh riss der Himmel auf, und Flecken hellen Mondlichts sprenkelten den Waldboden. Mit einem Mal war es hell genug, um das gehässige Funkeln in den Augen eines nur eine Manneslänge von ihm entfernt durch den Wald streifenden Soldaten zu erkennen.
    Er hatte es wieder einmal verdorben, hatte die einmalige Gelegenheit, seinen Feinden in der Dunkelheit zu entkommen, mit seinem törichten Innehalten zunichtegemacht. Jetzt war es also vorbei. Der Soldat hatte ihn festgenommen, ihn zum Lager geschleift und neben die anderen Gefangenen auf den Boden gezerrt. Mit Ausnahme von Kjoren und William hatten sie alle wieder eingefangen und diesmal gefesselt. Leroy traute sich nicht, die Frage nach dem Verbleib von Cirnod zu stellen. Er wusste auch so, dass er tot war. Mit gesenktem Kopf saß er neben Elane auf der feuchten Erde und ihm liefen die Tränen ungehindert über das Gesicht. Er konnte und wollte sie nicht mehr zurückhalten. Er hatte den alten Priester kaum gekannt, dennoch schmerzte ihn der Verlust stärker, als er erwartet hatte.
    Nach einer schier endlosen Weile hob er den Blick. Elane saß nach wie vor stumm wie eine Statue neben ihm, die Knie bis unter das Kinn gezogen. Ihre Kleidung war schlammverkrustet, ein breiter Streifen dunklen Drecks zog sich quer über ihre linke Wange. Allem Anschein nach hatte sie sich nicht kampflos festnehmen lassen, nicht wie er, der sich wieder einmal seinem Schicksal ergeben hatte, und sich wieder einmal maßlos über seine Feigheit ärgerte. Aber hätte es einen Unterschied gemacht? Selbst wenn es ihm gelungen wäre, den Soldaten zu entkommen, wäre er früher oder später verhungert, verdurstet oder erfroren. Was ihn jetzt erwartete, war nicht besser oder schlechter.
    Der Tag flirrte blassorange am Horizont und Leben kam in die Soldaten. Jemand bedrohte Elane und ihn mit einem Gewehr, während man sie unsanft an den Armen emporriss und sie aufforderte, loszumarschieren. Nun ging es also zur Anlegestelle des Luftschiffs im

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