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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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bekommen.«
    Mit jedem Wort verfärbte sich Jahams Gesicht zunehmend von H ellrosa nach D unkelrot. Er verbrannte Jonneth mit vernichtenden Blicken.
    »Nimm die Gefangenen, die ich dir gebracht habe.« Jonneth’ Stimme triefte von Abscheu und Spott. »Auf die warst du doch so versessen, oder etwa nicht? Du wolltest unbedingt den Thronerben beseitigen, und dort drüben steht er.« Er lachte, zunächst leise, dann aus voller Kehle. Es hallte von den hohen Mauern Valburgs wider. Als Jonneth’ Gelächter verklang, senkte sich eine noch gespenstischere Stille als vorher über den Hof, einzig durchbrochen von dem Ruf einer Krähe auf der Mauer. Leroy sah zu ihr hinauf. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Jinna, Cirnods Krähe . Hatte der Hilferuf des Priesters Früchte getragen? Er wandte sich von ihr ab.
    Jaham sagte nichts mehr. Vermutlich ging er im Kopf schon die Möglichkeiten durch, wie er seinen Sohn Jonneth töten und ihm das Buch entreißen konnte, doch all die Soldaten im Hof bedachten den König nur mit zurückhaltenden oder abfälligen Blicken. Ihre Loyalität galt Jonneth, nicht seinem Vater.
    »Du wirst schon sehen, was du davon ha...«
    Ein Pfeil flog haarscharf an Jahams Kopf vorbei. Er blieb im Kiesweg stecken. Alle starrten auf den Schaft, der noch vibrierte, dann gellten Befehle und Schreie über den Hof. Noch bevor irgendwer den Schützen ausmachen konnte, sausten weitere Pfeile durch die Luft, gefolgt von einem gurgelnden Schrei auf der Mauer. Einen Herzschlag später fiel der leblose Körper eines Wachmanns von der Mauer und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Kies auf. Leroys Blick haftete auf dem Wachmann, unter dessen Körper sich eine Blutlache ausbreitete.
    »In Deckung«, schrie einer und es kam Bewegung in die Soldatengruppe.
    »Da oben«, rief ein anderer. Schlagartig warfen alle den Kopf in den Nacken. Leroy traute seinen Augen nicht. Eine Gruppe aus mindestens sechs Firunen, alle mit einem Bogen bewaffnet, stürzte aus dem Himmel auf sie herab. Andere standen auf dem Wehrgang und duellierten sich mit den dort patrouillierenden Soldaten. Im Innenhof griffen alle zu ihren Waffen. Aus Jahams Gesicht wich sämtliche Farbe. Niemand schien mit einem Zugriff der Firunen gerechnet zu haben, denn in allen Gesichtern las er blankes Entsetzen. Sie hatten auf den perfekten Moment für den Angriff gewartet. Die hohen Mauern und das geschlossene Tor hinderten ihre Opfer an einer schnellen Flucht. Diejenigen, auf die sie es abgesehen hatten, standen schutzlos mitten im Innenhof. Der Hochmut der Venells hatte sie unvorsichtig gemacht.
    Ein Firune mit leuchtend roten Flügeln stürzte auf sie herab wie ein Greifvogel. Er trat einem Soldaten aus der Luft gegen den Kopf. Dieser taumelte zurück, prallte gegen eine schneeweiße mannshohe Marmorstatue, die am Rand des Kieswegs aus einem Blumenbeet emporragte, und blieb reglos liegen. Blut lief über den weißen Marmor. Elane warf sich in seine Arme und winselte. Ihre Hilflosigkeit ließ ihn die Fäuste ballen. Doch niemand beachtete ihn. Die Firunen schlugen mit lautem Geschrei auf die Soldaten ein. Der zweite Soldat kippte tot zur Seite. Ein daumendicker Stock steckte in seinem linken Auge. Niemand kümmerte sich mehr um die Gefangenen, sie alle waren beschäftigt, ihr Leben zu verteidigen. Jaham gab Fersengeld und rannte mit großen Schritten die Treppe zum Palast hinauf und durch die geöffnete Flügeltür hindurch, die er hinter sich sogleich verriegelte, sodass die in Panik geratenen nachströmenden Soldaten sie nicht öffnen konnten.
    »Zieht euch zurück! Leroy, Elane! Macht Platz«, rief eine Stimme aus der Luft, die Leroy seltsam bekannt vorkam. Er erkannte das Gesicht von Ibrik, jenem Firunen, der sie einst nach West-Fenn geflogen hatte.

Einundzwanzig
    Revolution
    E r hielt den Griff des schartigen Schwerts, das ihm Ibrik vor einigen Tagen überlassen hatte, fest umklammert, sodass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Es war keine gute Waffe, schlecht ausbalanciert und allenfalls dazu geeignet, jemanden von hinten zur Strecke zu bringen. Im Kampf Mann gegen Mann würde die Klinge wahrscheinlich abbrechen. Dennoch war Kjoren froh, nicht völlig unbewaffnet zu sein.
    Er fühlte sich wie eine nutzlose Puppe, als Ibrik und Lotta unter seine Arme griffen und mit ihm in die Luft stiegen. Kjoren verspürte keine Angst, dennoch schloss er die Augen. Hoffentlich ließen sie ihn nicht fallen, denn nichts war ihm nun wichtiger, als

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