Jenseits des Windes
können. Er fühlte sich wach und stark. Die schäumende Wut ließ ihn seine Zweifel und Bedenken vergessen.
Kjoren hackte und schlug sich wie ein Berserker einen Weg durch das Fleisch, das sich zwischen ihm und seinem Zielobjekt befand. Er entwickelte ungeahnte Kräfte. Schließlich schaffte er es tatsächlich, bis zu Jonneth vorzudringen. Gerade, als er einem von den nachströmenden Leibwächtern, die die entstandene Lücke schließen wollten, den Kopf von den Schultern trennen wollte, spürte er einen frontalen Schlag, der so gewaltig war, dass er beinahe das Bewusstsein verlor. Das Letzte, das er sah, bevor es dunkel wurde, war blaues Licht. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand einen Rammbock ungebremst in den Leib gestoßen. Er flog in hohem Bogen durch die Luft. Einen Atemzug später schlug er auf dem Boden auf. Seine Sinne wollten schwinden, der Kopf schmerzte und jeder Knochen in seinem Leib brannte. Dennoch schlug er die Augen auf. Er sah unscharf, aber er wusste, dass er sterben würde, wenn er dem Drang nachgab, einfach liegen zu bleiben.
Keuchend setzte er sich auf, die Schmerzen ignorierend. Übelkeit stieg in ihm auf. Er musste aufstehen, andernfalls war er eine leichte Beute. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihm, aufrecht zu stehen. Noch immer kribbelte die Magie, die Jonneth gegen ihn eingesetzt hatte, auf seiner Haut. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Es war unmöglich, Jonneth anzugreifen, so lange er mit Magie um sich schleuderte. Niemand konnte sich ihm nähern. Er benutzte Adorans geheime Formel rücksichtslos, um die Firunen auszusaugen wie ein Verdurstender, dem man einen Wasserschlauch an die Lippen hielt. Einer nach dem anderen fielen seine Artgenossen zu Boden wie Steine, und mit jedem von ihnen schien Jonneth’ Macht nur noch zu wachsen. Kjoren wusste instinktiv, dass sie hier nichts mehr erreichen konnten. Sie hatten die Situation unterschätzt. Es blieb ihnen nur noch der Rückzug. Hastig suchte er das Schlachtfeld nach seinem Vater ab. Er erblickte ihn am Rand des Kampfes. Er schien wohlauf, aber er kämpfte nicht mehr aus der Luft. Auch er war der heimtückischen Attacke von Jonneth schon zum Opfer gefallen, hatte den Sturz anscheinend aber überlebt. Er wusste, wie elend man sich fühlte, wenn einem die Magie entrissen wurde und er empfand höchsten Respekt für seinen Vater, der trotzdem noch weiterkämpfte. Schuldgefühle nagten an ihm. Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, die Firunen von ihrem Rachefeldzug abzuhalten? Er hatte immerhin am eigenen Leib erfahren, wozu der Emporkömmling fähig war. Er sah ein, es war ein schlecht vorbereiteter, übereilter Angriff und seine Hitzköpfigkeit hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Doch die Rachegelüste hatten auch den anderen Firunen den Verstand getrübt. Als Kjoren in ihr Lager gekommen war, hatten die Emotionen bereits gekocht. Seine Geschichte vom Raub seiner Magie hatte nicht unbedingt dazu beigetragen, die Gemüter abzukühlen. Vermutlich hätte er sie ohnehin nicht davon abhalten können, diesen Angriff zu starten, selbst wenn er es versucht hätte. Er schluckte seine bohrenden Zweifel hinunter.
Svorolf, sein geliebter Vater, wurde indes von seinem Gegner immer weiter rückwärts getrieben. Er hatte keine Waffe außer seinem Bogen, den er schützend vor sich hielt und verzweifelt versuchte, den Schlägen des Soldaten zu entkommen.
Kjoren fühlte sich noch benommen von dem magischen Schlag, doch in einem letzten Anflug grimmiger Verzweiflung schüttelte er den Schwindel ab, nahm sein Schwert vom Boden auf und eilte seinem Vater zu Hilfe. Leider taumelte er mehr, als dass er ging.
Jäh stellte sich jemand aus Jonneth’ Truppe in den Weg. Kjoren kannte das Gesicht nur allzu gut. Nathan, das große drahtige Wiesel, das ihm schon während seiner ersten Gefangenschaft das Leben schwer gemacht hatte.
»Wohin denn so eilig?«, zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen. In seiner rechten Hand hielt er ein kleines Holzfällerbeil. In einem Kampf Mann gegen Mann hätte Nathan keine Chance gegen Kjoren gehabt, doch das Wiesel reagierte blitzschnell. Noch ehe Kjoren die Gelegenheit bekam, anzugreifen, hatte Nathan ausgeholt und schleuderte das Beil. Auf die Distanz von nur einer Manneslänge hatte Kjoren keine Chance. In Erwartung eines schnellen Todes schloss er die Augen. Er war unaufmerksam gewesen und dies würde der Preis dafür sein. Sein letzter Gedanke galt seinem Vater.
Ein widerlicher Schrei schälte
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