Jenseits des Windes
nicht gehört.
Jonneth lehnte sich nach vorn, einen Arm lässig gegen das Denkmal gestützt. Das Gesicht der fremden Frau war nur eine Handbreit von seinem entfernt. Es musste sich um eines der Hausmädchen handeln, die immer das Tor zum Kräutergarten abschlossen. Aber was wollte Jonneth von ihr? Elane vernahm ihre gedämpften Stimmen, sie lachten. Scheinbar vermochte die Dame , Jonneth um einiges besser zu unterhalten als ein steifes Abendessen mit dem König. Elanes Kehle schnürte sich zu. Der Schmerz, der sich in ihrem Herzen ausbreitete, raubte ihr den Atem und ließ ihre Beine zittern. Sie machte auf dem Absatz kehrt und hastete mit großen Schritten zurück zum Palast, damit sie weit weg war, sollte sie weinend zusammenbrechen. Sie wollte nicht länger sehen, wie Jonneth ihre Gefühle mit Füßen trat. Jäh wurde ihr bewusst, dass er sich nie für sie interessiert hatte. Für ihn wie auch für seinen Vater war es nie mehr als eine arrangierte Ehe gewesen.
War sie wirklich so naiv gewesen, zu glauben, er würde sie lieben? Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie drängte sie grimmig zurück, schließlich war sie eine Dame mit Stolz und Anstand. Sie würde bald Königin sein. Etwas anderes zählte nicht. Sie musste jetzt stark sein. All das hatte gar nichts zu bedeuten. Der Diener, der ihr in den Park gefolgt war, hatte sie weder angesprochen noch sich auf andere Weise bemerkbar gemacht, dennoch schämte sich Elane für das, was er gesehen hatte.
Als sie zurück in den Speisesaal trat, hatte sich ihr Gemüt bereits beruhigt. Elane gab sich Mühe, entspannt zu wirken, doch der Blick von Annah durchdrang sie wie ein Messer. »Ich habe ihn leider nicht finden können«, log sie. »Es tut mir leid.«
Drei
Entdeckungen
E in Schwarm Krähen stieg aus einer der hohen Pappeln auf, die die Waldlichtung säumten. Die Vögel kreischten und veranstalteten einen ohrenbetäubenden Krach. Die Wucht der Explosion hatte den Boden kurzzeitig erschüttert. Auch einige Kaninchen und andere Kriechtiere des Unterholzes suchten ihr Heil in der Flucht. Leroy hätte gern dem Drang nachgegeben und wäre ihrem Beispiel gefolgt, aber Fahnenflucht war weder ehrenwert noch versprach sie einen Ausweg aus der Situation. Hier in der Wildnis war ein einzelner Mann dem Tode geweiht. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das stümperhaft gezimmerte Haus aus Gesteinsbrocken und Holz, das sie inmitten der dichten Waldlandschaft entdeckt und gesprengt hatten. Moos und Kletterpflanzen hatten die verfallenen Überreste des Gebäudes umwuchert und für eine gute Tarnung gesorgt, sodass die Soldaten es beinahe übersehen hätten. Die zweistöckige Ruine hatte sich auf einer von Menschenhand gerodeten Lichtung befunden. Zu welchem Zweck jemand im Nirgendwo eine Festung, oder was auch immer es gewesen sein mochte, errichtet hatte, galt es nun herauszufinden. Die Explosion hatte eine Hälfte des Gebäudes dem Erdboden gleichgemacht, die Wände der anderen Hälfte wiesen tiefe Risse auf und erweckten nicht den Eindruck, der Erdanziehungskraft lange trotzen zu können.
Leroy hätte liebend gern am Morgen das Luftschiff, das sie zurück ins Basislager bringen sollte, erreicht, doch einer ihrer Kundschafter hatte den stark ausgetretenen Pfad mitten im Wald entdeckt, der ihre Truppe geradewegs zur Lichtung geführt hatte. Natürlich war es Hauptmann Lenrys Pflicht, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Firunen, die hier in der Einöde von Eld lebten, waren Bauen, teilweise noch nicht einmal sesshaft. Wenn sie ein aus Holz gezimmertes Heim ihr Eigen nennen konnten, wähnten sie sich unsagbar reich. Doch dieses Bauwerk war anders. Es war zu hoch für ein einfaches Wohnhaus, zudem ließ die massive Bauweise auf den Zweck der Verteidigung gegen Angriffe schließen. Wer immer sich die Mühe gemacht hatte, ein solides Steingebäude mitten im Wald zu errichten, wollte, dass es nicht entdeckt werden konnte. Da die Firunen von Eld mitnichten schon einmal eine Valanenburg gesehen hatten, lag die Vermutung nahe, dass andere – Valanen oder Firunen – aus dem zivilisierten Teil von Yel dahintersteckten. Dem Grünspan und Verfall der Außenmauern nach zu urteilen, existierte die Festung schon recht lange.
Leroy schüttelte seine Gedanken ab, denn ein Horn ertönte, das Zeichen zur Entwarnung nach der Explosion. Nachdem sie fast eine komplette Seite des Gebäudes mit Dynamit in die Luft gejagt hatten, würden sie sich nun an die Erkundung der
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