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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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taumelte er ein paar Schritte rückwärts, weiter auf die Sträucher und Gebüsche zu. Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
    Leroy wandte den Blick von seinem Kameraden ab und folgte Lenry über den Berg aus Schutt und Geröll, den die Explosion zurückgelassen hatte. Ein gewaltiges Loch klaffte in der Außenmauer des Gebäudes.
    »Ihr da! Rein da und nachsehen, was der Feind hier geheim gehalten hat«, rief der Offizier und zeigte wahllos auf fünf Soldaten. Leroy war unter ihnen. »Es muss einen Grund geben, weshalb sie diese Bruchbude noch nicht ganz aufgegeben haben.« Niemand widersprach oder sagte auch nur ein einziges Wort.
    Leroy fühlte sich geehrt, obwohl ihm bewusst war, dass Lenry den Zufall hatte entscheiden lassen. Bevor sie die Ruine durch das Loch in der Wand betraten, sah sich Leroy noch einmal um. Er suchte nach Kjoren, doch der Firunensoldat war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich zurückgezogen. Besser so für ihn. Er hatte auch allen Grund, sich zu schämen. Leroy schüttelte seine Gedanken ab. Er würde später noch Gelegenheit haben, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, weshalb Kjoren so gehandelt hatte.
    Mit Lenry betraten sie die einsturzgefährdeten Überreste des Gebäudes. Ein widerlicher Gestank nach Unrat schlug Leroy entgegen. Die Innenräume im Erdgeschoss bestanden aus nur drei Räumen, die durch die Erschütterung stark beschädigten Zwischenwände neigten sich bedrohlich zur Seite. Aus einem der Räume drang der Gestank, in den anderen beiden verteilten sich mehrere Stühle über den Boden. Ein umgestürzter Schreibtisch lag auf der Seite. Papierfetzen mischten sich mit Staub und Geröll.
    Hauptmann Lenry gab das Kommando zum Stehenbleiben. Er kratzte sich am Kopf und ließ seinen Blick über das Chaos schweifen. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten.
    »Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einer Schreibstube und einem Raum, von dem ich gar nicht wissen möchte, was darin ist. Der Gestank ist kaum auszuhalten.« Er wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum, als könnte er damit die schlechten Gerüche vertreiben. »Durchsucht die Papiere! Vielleicht finden wir etwas, das uns zumindest glauben lässt, die Mission sei nicht umsonst gewesen.«
    Sogleich machte sich Leroy mit seinen Kameraden daran, die auf dem Boden verstreuten Papierfetzen aufzusammeln, aber er erkannte schnell, dass sie all die vom Ruß geschwärzten, zerrissenen und teilweise verbrannten Notizen nie würden entziffern können. Er wünschte sich sehnlichst, dass Hauptmann Lenry den Befehl zum Rückzug erteilen würde. Das hatte doch alles keinen Sinn! Der Gestank nach Fäulnis und Urin ließ Leroy in regelmäßigen Abständen würgen. Plötzlich erklang aus dem hinteren Teil des in völliger Dunkelheit liegenden Raumes ein leises Stöhnen. Die anderen Soldaten hatten es auch bemerkt, denn sie ließen von ihrer sinnlosen Aufsammelaktion ab und hoben die Köpfe. Hauptmann Lenry wandte seinen Blick auf die dunkle Ecke, aus der das Geräusch gekommen war. Jemand hustete dort. Leise, aber deutlich vernehmbar.
    »Wer ist da?«, rief der Offizier. »Ergebt euch, sonst sehe ich mich gezwungen, euch mit Waffengewalt aus eurer stinkenden Ecke zu holen.«
    Eine flüsternde, gepresste Stimme drang aus dem dunklen Raum. »Jetzt hast du uns verraten mit deinem Gehuste.«
    »Vielleicht kommen sie, um uns zu befreien?«, fragte jemand anderes.
    »Hey!« Hauptmann Lenrys Gebrüll ließ die Überreste des maroden Gemäuers erzittern. »Ich fordere euch ein letztes Mal auf. Kommt heraus und nennt eure Namen.«
    Der Offizier hob sein Gewehr, bereit zum Schuss. Sie alle starrten wie gebannt in die dunkle Ecke, als sich zwei Gestalten, der Statur nach männlichen Geschlechts, allmählich aus der Dunkelheit schälten. Sie gaben ein erbärmliches Bild ab. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, ob es sich um Firunen oder Valanen handelte, denn unter einer dicken Schicht Dreck konnte man weder die Haarfarbe noch die Hautfarbe ausmachen. Jedoch waren ihre Augen dunkel wie Kohlen, sodass Leroy schlussfolgerte, dass es sich um Valanen handelte. Firunen waren ausnahmslos sehr hellhäutig mit hellen Augen, während das valanische Volk alle erdenklichen Haar- und Augenfarben hatte.
    Einer der Männer ging gebückt und humpelte, die Augen des anderen waren trübe und blickten ins Leere. Sie waren nackt bis auf einen widerlich anmutenden Fetzen Stoff, den sie sich um die Hüften gewickelt hatten. Sie waren beide

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