Jenseits des Windes
nicht mehr jung, Falten zogen sich über ihre Gesichter, ihre Haut am Körper schlaff. Ihr Haupthaar hing lang und verfilzt über ihre dürren Schultern, dichte Bärte waren ihnen bis zur Brust hinab gewachsen. Leroy trat einen Schritt zurück. Sie stanken schlimmer als die Pest. Er legte eine Hand auf seinen Schwertgriff.
»Bitte, tut uns nichts«, sagte der eine. Seine Stimme klang heiser und belegt.
»Wer seid ihr?«, fragte Hauptmann Lenry in befehlsgewohntem Ton. »Und was macht ihr hier? Ihr seht mir nicht aus wie Firunenpack.«
Der Mann mit den trüben Augen ließ sich auf die Knie fallen und erhob die Hände, als wollte er um Gnade flehen. »Wir sind Valanen. Man hat uns gefangen gehalten – über zwanzig Jahre lang.«
Fast hätte Leroy aufgelacht. Das war doch Nonsens.
»Sie haben uns gefoltert. Sie dachten, wir hätten Informationen, aber die hatten wir nicht. Irgendwann sind die meisten von ihnen verschwunden, weil sie gemerkt haben, dass wir nichts wissen. Sie haben uns mit ein paar Wachen zurückgelassen. Nur ganz selten ist noch jemand von außerhalb gekommen, um nach uns zu sehen.«
Seine Stimme überschlug sich beinahe. Leroy zweifelte an der Geschichte, obwohl er äußerst überzeugend klang. Ihm waren die beiden Männer nicht geheuer, weshalb er sein Schwert weiterhin griffbereit hielt.
»Rede nicht so wirr«, sagte Lenry. »Wer hat euch hier gefangen gehalten und weshalb? Und jetzt bitte langsam und nacheinander.«
Jetzt sprach der alte Mann. Eine tiefe, schlecht verheilte Narbe zog sich quer über sein Gesicht. »Mein Name ist Tivor Breel, und das hier ist Phal Redland.« Er deutete auf den Mann mit den trüben Augen, der noch immer auf dem Boden kniete. »Wir waren mal zahlreicher. Ursprünglich, meine ich. Wir haben am Königshof gedient. Von König Alloret, dort haben sie uns weggeschleppt. Über zwanzig Jahre ist‘s her.« Er machte eine Pause und griff sich mit der Hand an den Hals. »Ich brauch Wasser.«
Hauptmann Lenry schickte einen der Soldaten hinaus, um eine Feldflasche zu holen. Erst als Tivor deren Inhalt gierig hinuntergestürzt und auch Phal einen Schluck eingeflößt hatte, sprach er weiter. Der Offizier hatte die ganze Zeit geduldig gewartet, eigentlich nicht seine Paradeeigenschaft.
»Wir waren zu zehnt, damals«, fuhr Tivor mit seinem Bericht fort. »Man hat den Palast angegriffen und uns verschleppt. Der König ist bei uns gewesen.«
Ein Raunen ging durch die Gruppe. Leroy schluckte hart.
»Du lügst«, fuhr Lenry ihn scharf an. »Wenn du von dem Attentat auf den damaligen König sprichst, ist mir bekannt, dass seine Leiche in seinen Schlafgemächern gefunden wurde. Die Gefangenschaft hat dir wohl den Kopf verdreht.«
»Nein, nein.« Diesmal war es Phal, der sprach. »Er sagt die Wahrheit. Man hat uns verschleppt, ebenso den König. Alloret Durvin ist früh von uns gegangen, er hat sich das Leben genommen. Die Firunen waren wütend, sie haben uns hierbehalten und gefoltert, weil sie dachten, wir hätten wertvolle Informationen. Sie faselten etwas von einer geheimen Formel, mehr wissen wir nicht. Als sie endlich von unserer Unwissenheit überzeugt waren, haben sie uns trotzdem nicht gehen lassen. Selbst den Tod haben sie uns nicht gegönnt. Sie wollten, dass wir hier verrecken. Aber wir haben bis heute überlebt.« Er riss die Hände in die Luft. »Dem b armherzigen Gott sei Dank, man hat uns gefunden.«
Leroy hatte die zwei widerlich stinkenden Gestalten angegafft. Schnell wandte er den Blick ab. Hauptmann Lenry befahl, die beiden Gefangenen mit nach Valana zu nehmen, um dort ihre Identitäten zu klären. Vielleicht würde sich jemand an einen Mr. Breel und einen Mr. Redland, die vorgaben, im Palast gedient zu haben, erinnern können. Tivor beteuerte indes, einen Beweis für die Richtigkeit seiner Aussage parat zu haben, weigerte sich jedoch, diesen jemand anderem als dem aktuellen König persönlich vorzutragen. Lenry tat sein Gerede mit einer abwertenden Handbewegung ab. Vermutlich wollte auch der Offizier endlich zurück nach Valana und keine Zeit durch die irren Worte eines Gefolterten verlieren.
Diejenigen, die draußen vor der Ruine gewartet hatten, bekamen große Augen, als sie die abgemagerten Gestalten erblickten. Niemand traute sich, sie mit Fragen zu löchern, doch die brennende Neugier war beinahe greifbar. Immer wieder sahen die Soldaten verstohlen zu den dreckverschmierten Männern hinüber, als sie sich auf den Weg zum Anlegeplatz des großen
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