Jenseits des Windes
Fußsoldaten bezogen vor dem Tor Stellung, sie würden warten, bis auch der letzte Gast den Park betreten hatte, bevor sie sich auf den Rückweg zur Kaserne machten. Einigen Auserwählten war es erlaubt, am Totenmahl teilzunehmen. Insgeheim freute er sich darauf, denn das Essen würde sicherlich die Qualität und den Umfang des Kasernenessens um Längen schlagen.
Leroy bemühte sich um einen aufrechten Gang, was sich mit steifen Gliedern und einem schmerzenden Hintern als mühsam erwies. Die anderen Reiter machten nicht den Eindruck, als hätte ihnen der Ritt ähnliche Qualen bereitet. Sie waren es gewohnt, jeden Tag stundenlang im Sattel zu sitzen.
Die Festgesellschaft betrat den Park und bewegte sich ebenso schweigend wie zuvor über die sorgsam angelegten und gepflegten Kieswege. Leroy ging mit den anderen Soldaten, die ihn jedoch keines Blickes würdigten. Vermutlich fragten sie sich ebenso wie er, was er hier verloren hatte. Ein wenig Unbehagen mischte sich mit der Kränkung, aber was hatte er erwartet? Nicht einmal die Soldaten aus seiner Truppe sprachen viel mit ihm. Eine Welle der Traurigkeit und Enttäuschung brandete über ihn hinweg, gefolgt von maßloser Wut auf sich. Er würde niemals eine Führungspersönlichkeit werden, wenn alle nur Luft in ihm sahen.
Sie durchquerten einen kleinen Wald aus penibel in Kugelform geschnittenen Bäumen und erreichten eine große , runde Rasenfläche, die ringsum von Blumenbeeten eingefasst war. Die Farben Gelb und Orange dominierten das Bild. Leroy wandte den Kopf und betrachtete die Blüten, die so exakt wie eine Truppe Soldaten beim Morgenappell in Reih und Glied die Beete zierten. Kein überflüssiges Blatt tanzte aus der Reihe oder durchbrach die Ordnung. Er schüttelte den Kopf. Weshalb verschwendete jemand Zeit damit, derart künstlich wirkende Zierrabatte anzulegen?
In der Mitte des Rasens befand sich ein dunkelgrünes Zelt, das so hoch und so breit wie ein Haus war. Es bestand aus festem Leinenstoff, der sich über ein Gestänge aus Metall spannte. Den Durchgangsstoff hatte jemand zur Seite gezogen und mit einem goldenen Seil an einem der Metallpfosten befestigt, sodass ein breiter Durchlass entstand. Ein köstlicher Duft nach gebratenem Speck und frischem Brot drang aus dem Inneren des Zelts.
König Adoran und seine Frau betraten es als Erste, gefolgt von Verwandten und engen Freunden, die Leroy noch nie gesehen hatte. Er kannte überhaupt niemanden. Unbehagen stieg in ihm auf. Er würde sich für den Rest des Nachmittags unauffällig verhalten und das gute Essen genießen.
Als einer der Letzten durchschritt er den Durchlass und betrat die Holzplattform. Der Innenraum des Zelts war geräumig und bot allen Gästen hinreichend Platz. Man hatte mehr als ein Dutzend Tische aufgestellt, an denen bis zu acht Personen Platz fanden. Das Königspaar steuerte geradewegs auf einen Tisch am gegenüberliegenden Ende zu. Eine dunkelgrüne Tischdecke aus feiner Seide mit goldenem Saum floss über die Tischplatte, Blumengestecke mit gelben und weißen Blüten rundeten das Bild ab. Leroy erhaschte einen kurzen Blick auf das fahle Gesicht des Königs. Markante Falten hatten sich hineingegraben und die Augen lagen in tiefen Höhlen. Der Verstorbene hatte dem König vermutlich sehr nahe gestanden. Aus Celesas Gesicht war indes nichts abzulesen, sie wirkte wie in Stein gemeißelt. Erst als sie sich setzten, strömten die anderen Gäste an die Tische. Jeder Platz war mit einem Namenskärtchen gekennzeichnet, das den Stuhl für denjenigen reservierte.
Die Offiziere saßen an einem gesonderten Tisch nahe dem Zelteingang. Leroy setzte sich stocksteif auf seinen Stuhl und bemühte sich um einen seriösen Gesichtsausdruck. Erst jetzt bemerkte er die zahlreichen Diener, die am Rand des Zeltes auf ein Zeichen König Adorans warteten, mit der Bedienung der Gäste zu beginnen. Einige Servierwagen mit abgedeckten Tabletts standen neben ihnen.
Als jeder saß, schob König Adoran seinen Stuhl geräuschvoll zurück, erhob sich und blickte in die Runde. Mehrere Sekunden lang schwieg er, die Stille war zum Zerreißen gespannt.
Es folgte eine schier endlos lange Rede über den Sinn des Lebens und eine Lobeshymne an den b armherzigen Gott, weil er ihr Volk aus seinem Leid befreit und in die Obere Welt nach Yel geführt hatte. Schließlich erzählte König Adoran noch lang und breit die Geschichte vom Aufstieg der Valanen, von der Entdeckung des Bluteisens und von der Magie, die es den
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