Jenseits des Windes
Tratsch berichteten. Einige verfügten über sensible Informationen. Jaham hatte für die Aufgabe absichtlich extrem verlotterte Penner ausgesucht. Sollten sie plaudern, würde ihnen niemand glauben. Ein kluger Schachzug.
Sie machten sich auf den Weg zum Nordturm, wo sich die Gemächer der Königsfamilie befanden. Jaham hatte alles umdekorieren lassen, nichts erinnerte mehr an Adoran. All die scheußlichen Bodenvasen, hässlichen Porträts und überflüssigen Dekorationen hatte er aus dem Fenster in den Hof werfen lassen.
Jonneth griff nach dem Türknauf zu seinem Privatsalon, als sein Vater sich nach ihm umdrehte. »Jonneth, du kommst gefälligst hierher. Es ist deine Pflicht als mein Berater, außerdem kannst du dabei noch etwas lernen.«
»Was soll ich denn lernen?«, fragte Jonneth, vielleicht eine Spur zu spöttisch. Als wäre er ein Kleinkind! Er unterdrückte den Impuls, seinem Vater ins Gesicht zu spucken. Er hatte keine Lust mehr auf sein herrisches Gehabe. Bald, schon bald würde er das Fass zum Überlaufen bringen und Jonneth würde seine Pläne in die Tat umsetzen. Der Tag würde kommen.
Ein zorniges Funkeln trat in die Augen seines Vaters. »Du kannst lernen, wie man als König mit Spionen umgeht«, zischte er durch zusammengepresste Zähne. »Ohne mich wüsstest du nicht einmal von der Möglichkeit, mit Spitzeln zu arbeiten. Genauso wie Adoran bist du zu dämlich, um auf solcherlei Ideen zu kommen.«
Oder zu ehrlich , fügte Jonneth in Gedanken hinzu.
Zähneknirschend folgte er seinem Vater ins Kaminzimmer. Wie McGill angekündigt hatte, wartete dort ein äußerst abgewrackter Mann mittleren Alters. Seine Kleidung war zerrissen und schmutzig. Vermutlich würde Jaham den Sessel, auf dem er saß, anschließend reinigen lassen müssen.
Als der Penner sie erblickte, sprang er vom Sessel auf, verbeugte sich ungeschickt und wedelte mit dem Dokument, das ihm Einlass in den Palast gewährte. Dabei offenbarte er ein beinahe zahnloses Grinsen.
»Ich habe eine Information für Euch.« Er hustete. Es klang widerlich. Jonneth verzog das Gesicht und setzte sich auf einen Sessel, der möglichst weit entfernt von dem Widerling stand. Jaham nahm gegenüber von Stromer Platz.
»Mr. Smedge, nehme ich an?« Jaham bedachte den Mann mit einem abschätzigen Blick.
»Stromer, Ihr habt mir diesen Decknamen gegeben, wenn Ihr Euch erinnert.« Sein Blick irrte von einer Seite zur anderen. »Majestät«, fügte er rasch hinzu. Sämtliche Höflichkeitsfloskeln klangen einfach nur lächerlich.
»Gewiss. Was haben Sie zu berichten? Und bitte rasch, der ganze Raum riecht schon nach Ihnen«, sagte Jaham.
»Ihr habt mich auf den Soldatenfriedhof geschickt. Vor zwei Wochen«, sagte Stromer. Jaham wich in seinem Sessel zurück. »Ich kann Euch versichern, dass es nicht einfach war, dort ungesehen herumzuschleichen.« Stolz schwang in seiner Stimme mit.
»Kommen Sie zur Sache«, blaffte Jaham. Schnell legte Stromer wieder eine ernste Miene auf.
»Jedenfalls konnte ich nirgendwo ein Grab von einem Cyles – Leroy – finden. Ich habe zwar keine Ahnung, weshalb Ihr Euch für einen Soldaten interessiert, Eure Majestät, aber der, den Ihr sucht, liegt dort ganz bestimmt nicht begraben. Ich habe mir gedacht, na ja, vielleicht hat seine Familie den Leichnam mit nach Hause genommen. Das ist heutzutage schon fast üblich, und da ...«
»Wenn Sie mir nicht sofort sagen, worauf Sie hinauswollen, lasse ich Sie aus dem Fenster werfen!« Wenn Jaham ungeduldig wurde, war nicht mit ihm zu spaßen. Noch weniger als sonst. Jonneth würde es nicht überraschen, wenn Jaham seine Drohung wahr machte.
Der Penner zuckte erschrocken zusammen. »Ist schon gut, ich beeile mich. Jedenfalls habe ich letzte Woche eine alte Freundin in Budford besucht. Fragt mich besser nicht, wie ich dorthin gekommen bin. Ich habe da meine Mittel ...« Er senkte verlegen den Blick. Jaham lief dunkelrot an. Stromer sprach rasch weiter. »Ich habe dort von einem Leroy gehört, der neu in die Stadt gekommen sein soll. Jemand hat seinen Namen gerufen, ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Ich konnte in Erfahrung bringen, dass er vermutlich ein desertierter Soldat ist, aber die Leute sprechen nicht offen darüber. Jedenfalls passte das alles gut zusammen. Wollt Ihr der Sache nachgehen?«
Jaham lächelte grimmig. »Ich danke Ihnen für Ihre Auskunft, Mr. Smedge. Sie dürfen gehen.« Er machte eine Geste, als wollte er Fliegen verscheuchen. Zögerlich erhob der Penner sich
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