Jenseits des Windes
Wasserfall. Seine Fingerringe waren scharfkantiger, als er gedacht hatte. Weshalb hielt sie auch ihre hässliche Wange dorthin, wo er um sich schlug?
Jonneth ging zum Sofa im hinteren Teil des Raumes, um es sich gemütlich zu machen, doch sein Fuß verfing sich in einem Stück Garn, das von einem Knäuel auf einem Hocker neben dem Sessel hinabhing. Er stolperte und konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Elane schnappte geräuschvoll nach Luft.
»Du blödes Weib«, polterte Jonneth. »Kannst du deinen Mist nicht woanders nähen?« Er packte Elane am Oberarm und riss sie aus dem Sessel. Das Stück Stoff fiel von ihrem Schoß auf den Boden. Eine Blase heißer Wut kochte in ihm hoch. Es war nicht der Zorn auf Elane, der ihn die Fassung verlieren ließ, doch seine gottverdammte Ehefrau eignete sich hervorragend als Prellbock.
»Lass mich in Ruhe«, presste sie hervor.
»Lass mich in Ruhe, lass mich in Ruhe«, äffte er sie nach. Er griff nach dem Saum ihrer weißen Seidenbluse und zog mit einem Ruck daran. Der Stoff zerriss. Er zerrte den Fetzen von ihrem Oberkörper. Ihr nackter Anblick erweckte noch nicht einmal Lust, sie zu vergewaltigen. Selbst diese Freude hatte sie ihm schon verdorben, denn Elane wehrte sich nie. Jede Hure besaß mehr Talent.
Hastig bedeckte Elane ihre Blöße mit den Armen, doch sie zeigte keinerlei Regung, auch beschwerte sie sich nie.
»Du bist das langweiligste Weibsstück, das mir je begegnet ist«, sagte er und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige.
Elane verkniff sich die Tränen. Anfangs hatte sie immer geweint, wenn er sie geschlagen hatte, doch mittlerweile war sie zu einem gefühllosen Stück Eis erstarrt. Sie wandte sich ab und verschwand in ihrem Schlafgemach. Die Tür klappte beinahe geräuschlos hinter ihr zu.
Zwölf
Entscheidungen
K joren verfluchte sich für seine Dickköpfigkeit und seinen Starrsinn. Hatte Kelly ihn nicht davor gewarnt, den Weg durch den Osten von Budford zu nehmen? Hatte sie ihn nicht mehr als einmal darauf hingewiesen, dass es sogar vor dem Machtwechsel schon eine scheußliche Gegend gewesen sei? Das hatte er nun davon! Stinkende Gossen, sich prügelnde Firunen, schmutzige Kinder, schäbige Hütten und Dreck, so weit das Auge reichte. Zudem stank es nach Unrat und im Rinnstein trieb eine undefinierbare braune Brühe. Kjoren würgte, nahm Canets Zügel enger auf und ließ den Hengst dicht neben sich gehen. Er war kein Feigling, aber er fühlte sich besser, wenn ihn ein Haufen Pferdefleisch von der Straße abschirmte.
Müll und Gerümpel stapelten sich auf dem Gehsteig. Kjoren musste darauf achten, wohin er trat, wenn er sich die Stiefel nicht noch schmutziger machen wollte, als sie ohnehin schon waren. Karren rumpelten an ihm und dem braunen Hengst vorüber. Tiefe Furchen und Schlaglöcher machten die Straße für größere Fahrzeuge unpassierbar. Ein Pferd ließ man lieber nur im Schritt gehen, wenn man vermeiden wollte, dass es sich die Beine brach. Hoffentlich gelangte er bald in ein angenehmeres Stadtviertel. Es war eine Abkürzung, darin bestand kein Zweifel, aber es wäre wirklich besser gewesen, wenn er Kellys Rat befolgt und den Umweg durch das Südviertel gemacht hätte.
Obwohl er rasch hier raus wollte, sah er sich um. Es erfüllte ihn mit Kummer, all die Firunen zu sehen, die zusammengepfercht und unter schlechten Bedingungen wohnten, während ein Großteil der Valanen sogar reich genug war, um sich das Mietpferd bis vor die Tür bringen zu lassen. Und Kjoren war der Dumme, der es quer durch die Gossen von Budford führen durfte. Dabei hatte er kein Recht , sich zu beschweren. Er arbeitete seit sechs Wochen für Kellys Mietstall, und es hatte ihm bislang wesentlich mehr Geld eingebracht, als die meisten seiner Artgenossen in einem halben Jahr verdienten. Kjoren sparte jeden Kupfernen und lebte so sparsam, wie es irgend möglich war, um sich endlich die lang ersehnte Überfahrt in seine Heimat Ona zu erkaufen. Er musste dringend zu seinem Vater. Hoffentlich ging es ihm gut. Auf seinen Brief hatte sein alter Herr nie geantwortet.
Ein schlechtes Gewissen machte sich breit. Durch die Fahnenflucht hatte er seinen Vater in Gefahr gebracht. Und nun würde er die Konsequenzen für die Versäumnisse seines Sohnes tragen müssen, wenn man ihn erwischte. Wahrscheinlich hatten Valanen ihn längst gefangen genommen. Übelkeit stieg in ihm auf, wenn er sich dieses Horrorszenario vor sein inneres Auge rief. Er hätte niemals flüchten dürfen.
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