Jenseits des Windes
aus seinem Sessel.
»Verschwinden Sie, Sie stinken«, bellte Jaham.
»Aber Eure Majestät, ich bekomme doch sicher einen Lohn für meine Mühen.«
»Den bekommen Sie, wenn ich die Richtigkeit Ihrer Aussage überprüft habe. Sonst nicht. Und jetzt raus!«
Stromer hastete zur Tür. Der Luftstrom, den er aufwirbelte, roch nach Alkohol und Dreck. Die Schritte entfernten sich auf dem Flur.
Jaham seufzte. »Manchmal bereue ich es, so ein genialer Stratege zu sein.« Er ging zum Fenster und öffnete es. Frische Luft strömte in den Raum. »Diese Landstreicher sind einfach zum Kotzen. Aber sie sind wenigstens verlässlich, wenn man ihnen nur ein paar Kupferne verspricht. Und niemand glaubt denen, falls sie plaudern.«
Jonneth rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht. Er sehnte sich nach einem heißen Bad. »Glaubst du, er hat die Wahrheit gesagt?«
»Und wenn schon, dieser Leroy weiß doch nichts von seiner Abstammung, oder? Wir haben ihn doch nur zur Beerdigung eingeladen, weil es so herrlich einfach war, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Selbst wenn er noch lebt, kann er uns nicht gefährlich werden.«
»Mir wäre trotzdem wohler, wenn er tot ist. Wer weiß, ob es nicht doch noch mehr Mitwisser gibt.« Jonneth beabsichtigte nicht, seine gerade erlangte Position als Kronprinz an einen verlotterten Soldaten zu verlieren. Schlimm genug, dass er mit dieser wertlosen Elane verheiratet war.
Jaham stand noch immer am Fenster und blickte hinunter auf den Hof. »Wahrscheinlich hast du recht. Disziplin, Ordnung, Perfektion. Die Grundregeln beim Militär. Das haben sie dir auf der Akademie zum Glück beigebracht. Ich werde jemanden schicken, der der Sache auf den Grund geht und diesen Leroy – sofern er lebt – für kleines Geld verschwinden lässt.« Unvermittelt fuhr er herum. »Und jetzt mach, dass du verschwindest. Ich wünsche meine Ruhe. Wegtreten!«
Jonneth sprang aus seinem Sessel auf. Am liebsten würde er seinem Vater an den Hals springen und ihn erwürgen. Er hasste den Befehlston, wenn er ihm galt. Er behandelte ihn wie einen rangniedrigeren Soldaten. Ein Wunder, dass er nicht noch verlangte, vor ihm zu salutieren.
Jonneth verließ mit geballten Händen die Privatgemächer des Königs und machte sich auf den Weg zu seinen Räumen. Als er die Tür öffnete, saß Elane in einem Sessel unter einer Lampe und strickte. Vielleicht tat sie auch etwas anderes, Jonneth kannte sich mit diesem Weiberkram nicht aus. Jedenfalls lagen ein Stück Stoff und Garn auf ihrem Schoß.
Sie hob den Blick und senkte ihn sogleich wieder. Elane war die letzte Person, die er zu sehen wünschte. Jedes Mal, wenn er das wertlose Weibsbild gerade vergessen hatte, tauchte sie irgendwo auf und erinnerte ihn mit aller Brutalität daran, dass mit ihr die Hoffnungen auf eine gute Partie für immer verloren waren. Adoran hatte sie enterbt, und seitdem war sie nur noch eine Bürgerliche, ja sogar eine Namenlose. Sekundenlang blieb Jonneth mitten im Raum stehen und starrte Elane grimmig an, die sich mit vor Scham geröteten Wangen wieder ihrer Handarbeit widmete und so tat, als bemerke sie ihn nicht.
»Ich bin zurück, Frau«, sagte er. Er wollte ihr eine Reaktion entlocken. Irgendetwas, das ihm einen Grund gab, sie noch mehr zu hassen.
Elane strich sich eine Locke aus dem Gesicht, die sich aus dem Knoten am Hinterkopf gelöst hatte. Sie sah noch scheußlicher aus, wenn sie die Haare auf diese Weise trug. Langsam hob sie den Kopf und begegnete seinem Blick. »Kommen die Arbeiten an der Garnison gut voran?« Sie bemühte sich um den Tonfall einer sich sorgenden Ehefrau. Sie spielte ihm die Rolle nur vor und es machte ihn wahnsinnig. Er kam einen Schritt auf sie zu.
»Alles bestens«, knurrte er. »Ich habe viel zu tun. Der König beansprucht meine Zeit. Immerhin bin ich sein einziger Berater, er braucht mich.« Er hörte sich die Worte sprechen, als seien sie nicht seinem Mund entsprungen. »Und was hast du den ganzen Tag gemacht?«, fragte er, obwohl es ihn nicht interessierte.
»Was ich machen durfte«, sagte sie. Ihre Stimme war seltsam leise und dünn geworden, seit Jaham zum König ernannt worden war. »Ich habe Harfe gespielt, genäht und auf der Terrasse gesessen, obwohl es kalt draußen ist.« Sie verzog die Lippen zu einem spitzen Schnabel, wie sie es immer tat, wenn sie beleidigt war. Den Schnitt auf ihrer rechten Wange bedeckte bereits eine dünne Schicht Schorf. Noch am Abend zuvor hatte sie geblutet wie ein
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