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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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gerade abwenden, als sein Blick an dem Mann haften blieb, dem der Muskelprotz den Beutel in die Hand gedrückt hatte. Er kam Leroy seltsam bekannt vor ...
    Der Mann strich sich durch die dunkelblonden Haare und drehte sich ein wenig. Seine Augen, sein Mund, seine Mimik – alles erinnerte Leroy an ... den Firunen, mit dem er zusammen auf einer Mission in den Grenzlanden gekämpft hatte! Es war der Soldat, der im Anschluss an den Einsatz getürmt war, und für den Leroy gelogen hatte. Wie lautete sein Name noch gleich? Kjoren. Natürlich. Alle Firunen hatten diese eigenartig klingenden Namen. Aber weshalb hatte der stämmige Mann ihn Leroy gerufen? Heiße Empörung stieg in ihm auf, als ihm bewusst wurde, dass der Firune seinen Namen missbrauchte, vermutlich, um sich zu schützen.
    Der muskelbepackte Mann verabschiedete sich und verschwand in der Menge. Kjoren öffnete den Lederbeutel und zog ein in Papier gewickeltes Paket hinaus. Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er entfernte sich von dem Getümmel und setzte sich auf die Treppe vor einem Ladeneingang. Leroy starrte ihn immer noch fassungslos an. Er musterte Kjoren von oben bis unten. Er sah gut aus. Sein Bart war sorgsam gestutzt, die Statur kräftig und seine Kleidung ordentlich. Es machte nicht den Anschein, als hätte er seit seiner Flucht eine entbehrungsreiche Zeit verlebt. Es versetzte Leroy einen Stich. Der missmutige und wortkarge Kjoren, den Leroy kennengelernt hatte, machte einen zufriedeneren Eindruck als jemals zuvor. Und noch dazu missbrauchte er seinen Namen!
    Kjoren wickelte eine mit Käse belegte Scheibe Brot aus dem Papier aus. Leroys Magen krampfte sich schmerzlich zusammen. Kjoren biss beherzt in das Brot und Leroys Mund füllte sich mit Speichel. Weshalb war die Welt bloß so ungerecht? Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, einfach zu Kjoren hinzugehen und ihn anzusprechen, doch er wusste, dass außer Gestammel kein Wort seine Lippen verlassen hätte. Zudem schämte er sich für seinen Zustand, obwohl er daran keine Schuld trug.
    Jemand rempelte Leroy von hinten an. Ein in einen Umhang gehüllter Mann murmelte eine kurze Entschuldigung. Die Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Leroy sah ihm nach. Wenige Yards entfernt, blieb er stehen, zog etwas aus der Innentasche seines Umhangs und schleuderte es in Kjorens Richtung. Der Gegenstand sauste durch die Luft und blieb dicht neben Kjorens Kopf in der hölzernen Hauswand stecken.
    Ein Dolch, kaum länger als Leroys Hand.
    Ungläubig starrte er abwechselnd den Dolch, Kjoren und den Fremden an. Niemand sonst schien den Vorfall bemerkt zu haben. Kjoren sprang in einer blitzschnellen Bewegung auf und ließ den Rest des Brotes auf den Boden fallen. Plötzlich machte der Fremde einen Satz nach vorn, als wollte er Kjoren packen, doch dieser hechtete einen Satz zur Seite, rollte sich ab und flitzte in die Nebenstraße, aus der Leroy zuvor gekommen war. Sein Angreifer setzte ihm nach.
    Wie an Marionettenfäden bewegten sich plötzlich auch Leroys Beine. Er fühlte sich in den Vorfall verwickelt, obwohl er sich den Grund nicht erklären konnte. Die Absichten des verhüllten Mannes waren eindeutig, er hatte Kjoren töten wollen. Aber weshalb?
    Leroy folgte den beiden so schnell ihn seine schwachen Beine trugen. Er sah den Fremden vor sich, seine Kapuze war ihm vom Kopf gerutscht. Seinen Hinterkopf bedeckten dunkle Locken. Ein Valane.
    Sie rannten um mehrere Hausecken, Pferdekutschen und das geschäftige Treiben auf den Straßen ließen sie allerdings nur langsam vorankommen. Der Abstand zwischen Kjoren und seinem Verfolger verringerte sich zusehends. Leroys Lungen brannten. Auf offener Straße wäre er nicht in der Lage gewesen, ihnen zu folgen. Seine körperliche Verfassung war weit entfernt von seiner früheren Form.
    »Leroy! Ich weiß, wo du bist und wie du aussiehst! Ich werde dich überall finden«, schrie der fremde Mann. Seine dröhnende Stimme klang tief. Leroy, der alle Mühe hatte, mit den beiden mitzuhalten, riss vor Schreck die Augen auf. Dachte der Kerl tatsächlich, Kjoren sei er? Und war es in Wirklichkeit er, nach dem der Fremde suchte? Er verspürte den Drang, stehen zu bleiben und sich zu verstecken. Was, wenn der Mann bemerkte, dass ihn der echte Leroy verfolgte? Wenn sich Leroy allerdings abwandte, würde er nie erfahren, wer ihm nach dem Leben trachtete. Einmal Feigling, immer Feigling. Leroy biss die Zähne zusammen und lief weiter, doch

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