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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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leider eilig. Ich brauche eine Überfahrt nach Derris. Mach’s gut.«
    Kjoren, der Miesepeter wie eh und je. Ehrlichen Dank konnte man von ihm nicht erwarten. Leroy schluckte seinen Ärger hinunter und hielt Kjoren an der Schulter zurück. »Hast du keine Angst vor einem erneuten Angriff?«
    Kjoren zog die Stirn kraus. »Wenn alles gut geht, bin ich bald aus dieser stinkenden Stadt verschwunden. Das ist kein Ort für einen wie mich.« Demonstrativ rückte er sein Halsband zurecht.
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du dich jetzt noch zum Schiffsanleger trauen kannst? Vielleicht lauert der Angreifer dir dort auf, weil er ahnt, was du vorhattest. Außerdem bezweifle ich, dass ein Firune die Überfahrt gestattet bekommt.« Leroy wunderte sich abermals über Kjoren. Er war ein unglaublich sportlicher, flinker Bursche, aber an Grips schien es ihm zu mangeln.
    Kjoren wandte sich mit einem Seufzen vom Tor ab und setzte sich auf den staubigen Boden in eine Ecke des kleinen Hinterhofs. Er bedeutete Leroy mit einer Geste, sich neben ihn zu setzen. Der quadratische Hof lag leer im Schatten bis auf eine mit Gerümpel vollgestopfte Zinkwanne, die ihnen gegenüberstand. Leroy hoffte, dass niemand auf die Idee kam, hier nach ihnen zu suchen. Er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, dass das Tor noch immer offen stand. Trotzdem ließ er sich auf den Boden neben Kjoren nieder, stets den Hofeingang im Auge.
    »Wer war der Typ, der dir den Beutel mit den Broten gegeben hat?«, fragte Leroy.
    Kjorens Gesichtsausdruck veränderte sich vor Verwunderung. »Macht es dir Spaß, andere Leute zu beobachten?« Er schüttelte den Kopf. »Das war Gord, mein ehemaliger Arbeitgeber. Ich habe heute erst gekündigt. Er wollte nett sein und hat mir etwas zu essen gebracht, weil er wusste, dass ich mein ganzes Geld für die Überfahrt brauche.«
    Leroy massierte sich die Waden. Der Sprint hatte seinem geschwächten Körper viel Kraft abverlangt. »Der Auftragsmörder wird dich sicherlich schon seit Längerem beobachten«, sagte er. »Er wird schnell in Erfahrung bringen, wo du gearbeitet hast. Und dann wird er herausfinden, dass du dir eine Überfahrt kaufen wolltest. Du bist an Bord nicht sicher.«
    Kjoren bedachte ihn mit einem Blick, als hätte Leroy ihm soeben erklärt , wie man sich eine Frau eroberte. »Eines muss man dir ja lassen, du hast was in der Birne. Aber ich kann in keinem Fall hierbleiben. Ich muss zu meinem Vater.«
    Leroy zuckte die Achseln. »Ich kann dich nicht mit Gewalt davon abhalten. Trotzdem würde ich gern in Erfahrung bringen, weshalb man dich – Pardon, mich – töten wollte. Immerhin war es mein Name, um den es ging.« Leroy warf Kjoren einen flehenden Blick zu. Seine Chancen standen schlecht, dass Kjoren seinen Rat befolgen würde. Niemand hörte auf das, was er zu sagen hatte. Daran hatte er sich gewöhnt. »Sicher ging es bei dem Mordanschlag nicht um mein oder dein Ausscheiden aus der Armee«, fuhr er fort. »Der Typ mit dem Umhang war kein Soldat, dessen bin ich mir sicher. Außerdem hätte er sich eine Belohnung einstreichen können, wenn er dich lebend in die Kaserne zurückgebracht hätte. Und die Absichten des Kerls waren wohl eindeutig: Mord.« Leroy schoss plötzlich eine Erkenntnis in den Leib wie eine Speerspitze. Er spürte förmlich, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. »Es ist nicht das erste Mal, dass mich jemand töten wollte«, brachte er mühsam hervor. Seine Stimme klang auf einmal dünn und belegt. Weshalb hatte er den Zusammenhang nicht eher erkannt?
    »So? Das ist interessant. Und ich Idiot verwende auch noch deinen Namen.« Kjoren scharrte mit der Stiefelspitze im Staub.
    Ärger stieg in Leroy auf und verdrängte das Entsetzen, das er noch Sekunden zuvor empfunden hatte. »Sind dir andere eigentlich total egal? Denkst du immer nur an dich? Ich für meinen Teil brenne darauf, zu erfahren, wer mir ans Leder wollte!«
    »Hey, nun bleib mal ruhig«, zischte Kjoren. »Mir begegnen die Leute auch nur selten freundlich. Also beschwere dich nicht. Weshalb sollte man dich wohl töten wollen? Meinst du nicht, dass du unter Paranoia leidest? Du bist weder ein wichtiger Hauptmann noch sonst jemand Besonderes.«
    Leroy musste sich beherrschen, um ihn nicht anzuschreien. Selten hatten überkochende Emotionen ihn so weit gebracht, sich überhaupt zu trauen, jemanden anzufahren. »Hast du eigentlich eine Ahnung davon, was ich durchgemacht habe? Beinahe wäre es ihnen gelungen, mich zu töten. Man wollte

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