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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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nach dem anderen in den Hals. Elane verbarg das Dokument unauffällig unter ihrem Rock, strich die Falten glatt, stieg die Treppe hinunter und bahnte sich einen Weg quer über den Marktplatz. Sie würde notfalls auch ohne Fratch die Kutsche erreichen. Und wenn es sein musste, würde sie auch ohne ihn den Befehl zum Aufbruch geben. Jonneth hatte ihr den alten Soldaten zur Seite gestellt, damit er für ihre Sicherheit sorgte. Ha! Elane glaubte, Jonneth sorgte sich vielmehr um die Sicherheit des Dokuments. In jedem Fall war der pensionierte Sergeant gänzlich ungeeignet für die Aufgabe. Jaham hatte mit Fratch vor Jahren in einem Regiment gedient, und vermutlich dachte Jaham, er sei dem alten Säufer etwas schuldig. Es mutete schon eigenartig an, dass es anscheinend nur dann möglich war, das Ansehen des Königs zu erlangen, wenn man in irgendeiner Form in Verbindung zum Militär stand. Jaham war besessen von Soldaten und Waffen, und das merkte man der Stadt deutlich an. An jeder Ecke standen uniformierte Männer, die Gewehre geschultert und den Rücken gestrafft. Leider sorgten die Soldaten keineswegs für Ruhe, sondern heizten die angespannte Lage nur noch weiter an. Elane erlaubte sich kein Urteil darüber. Es war zu gefährlich für eine Frau, sich in solche Dinge einzumischen.
    Sie erreichte das Ende des Platzes und tauchte in eine weniger belebte Seitenstraße ein. Die hohen Häuserfronten begrenzten die Gasse zu beiden Seiten wie eine undurchdringliche Mauer. Kaum ein Sonnenstrahl verirrte sich jemals bis auf die Pflastersteine. Elane sah sich um. War sie auf dem Weg zur Kirche an einer Gemischtwarenhandlung vorbeigekommen? Sie wusste es nicht mehr, ging aber dennoch weiter. Alle Straßen, die nach Süden führten, mündeten früher oder später in die große Ringstraße, die sich dicht am Abgrund entlangschlängelte und zum Hafen führte, deshalb setzte Elane ihren Weg unbeirrt fort. Sie konnte es kaum erwarten, die Kutsche zu erreichen, und die Stadt endlich zu verlassen. Hier sah es sogar noch ungemütlicher aus als in Valana. In Budford lebten seit jeher sowohl Valanen als auch Firunen, und gerade dieser Umstand machte die Stadt neuerdings zu einem gefährlichen Pflaster. Kein Wunder, dass Jonneth lieber seine Frau vorschickte, damit sie die Geschäfte für ihn abwickelte. Um Elane war es immerhin nicht schade, wenn sie zu Tode kam. Vielleicht hatte er es sogar darauf angelegt. Womöglich war der Auftrag Teil der Schikanen, mit denen er ihr tagein, tagaus das Leben schwer machte. Sie schluckte ihren Frust hinunter und ging schnellen Schrittes weiter die Straße entlang nach Süden. Das Geräusch ihrer Absätze hallte von den Häuserschluchten wider.
    Ein Mann tauchte unmittelbar vor ihr auf wie aus dem Nichts. Elane hatte nicht einmal gesehen, woher er so plötzlich gekommen war. Der Schreck ließ sie unwillkürlich einen spitzen Schrei ausstoßen. Der Mann überragte sie um eine Kopflänge, trug abgenutzte Arbeitskleidung und strähnige helle Haare klebten an seiner Stirn. Elanes Blick haftete auf einer Schürfwunde an seinem Hals, die wohl von einem Halsband herrührte, das er momentan jedoch nicht trug. Ein Firune. Elane wollte ihn gerade für seine Unachtsamkeit rügen, als der Mann nach ihrem Oberarm griff, sie zu sich heranzog und ihr eine Hand auf den Mund presste. Der Umschlag rutschte aus den Falten ihres Kleides und fiel zu Boden. Panik ergriff sie mit eiskalten Klauen, sie trat und schlug um sich, traf jedoch nur Luft. Blut rauschte in ihren Ohren und ihre Beine zitterten. Sie drehte den Kopf und versuchte, in der Umgebung nach jemandem Ausschau zu halten, der ihr helfen konnte. Doch hier hielt sich niemand auf, die Straße lag leer und verlassen im Schatten. Gott, wenn nur der Sergeant endlich auftauchen würde!
    Der Mann stieß ein tiefes Knurren aus und zerrte Elane hinter sich her in einen Hauseingang. Er stank nach Schweiß und Dreck. Sie wehrte sich vergeblich, als er ihr ein Stück Stoff in den Mund stopfte und ihren Kopf mit einem Lederriemen umwickelte, den er stramm verknotete. Er musste die Tat geplant haben, denn er war bestens vorbereitet. Blanke Angst ließ Elanes Beine unter ihr schwach werden und nachgeben, sie sank auf die Knie. Schon spürte sie zwei große Hände, die mit einem Ruck ihr Kleid zerrissen. Niemals hätte sich Elane träumen lassen, dass ihr einmal so etwas passieren würde. Sie war behütet innerhalb der dicken Mauern von Valburg aufgewachsen, inmitten von

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