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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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plötzlich in sich zusammensank und schluchzte, vermochte ihn noch mehr zu schockieren. Das Verhalten passte nicht zu ihm. Er war stets ein selbstbewusster und nüchterner Mann, den nichts aus der Ruhe brachte.
    »Es war so dumm, so unendlich dumm.« Er schlug die Hände vor sein Gesicht, sodass seine Worte kaum verständlich klangen. Sein plötzlicher Stimmungswandel veranlasste Leroy, ihn wie einen Schwachsinnigen anzustarren. Es machte den Anschein, als sei eine lange aufrechterhaltende Fassade in sich zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Sein Vater wirkte erschöpft, das merkte Leroy ihm deutlich an. Ihm fehlte wohl schlichtweg die Kraft, sich gegen drei Gegner zu verteidigen.
    »Wir hatten damals geglaubt, irgendetwas ändern zu können, wenn wir den König töten«, sagte er mit leiser, gebrochener Stimme. »Es war töricht.« Er holte mehrfach Luft und hob den Blick. Seine Augen lagen gerötet tief in den Höhlen.
    »Ihr habt was? Und wen meinst du mit wir?« Leroys Stimme kippte vor Empörung. Nur langsam sickerte die Bedeutung der Worte in sein Bewusstsein. Hatte sein alter Herr etwa die Finger im Spiel gehabt, als man Alloret aus dem Palast entführt und nach Eld verschleppte? Die Behauptung hörte sich derart ungeheuerlich an, dass Leroy es für wahrscheinlicher hielt, dass der Firune den Verstand verloren hatte und nicht wusste, was er sagte. Elane fächerte sich Luft zu und rang nach Atem.
    Sein Vater ließ die Schultern hängen.
    Jetzt wirkte er noch kleiner als zuvor. »Wir waren damals alle noch der Überzeugung, wir könnten die Welt verändern.« Ein sehnsuchtsvoller Blick huschte über Bjarts Züge. »Ich hätte wissen müssen, dass dieser Tag kommen würde. Der Tag, an dem du zurückkommst und Fragen stellst wie ein Mann.« Er senkte die Stimme, als befürchtete er, jemand könnte ihn belauschen. »Glaube mir, ich habe sogar oft darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, dich ebenfalls zu töten, anstatt dich in meine Obhut zu nehmen.« Leroy erwartete eine Woge aus Schmerz und Trauer angesichts der harten Worte, doch mit einem Mal erfüllte ihn nichts als Leere. Sein Vater wirkte mehr denn je wie ein Fremder auf ihn.
    »Wir waren viele, eine organisierte Gruppe Aufständischer«, fuhr er fort. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und schniefte. »Wir waren überall im Land verstreut. Sogar innerhalb von Valburg hatten wir Anhänger und Spitzel. Anders wäre es auch nicht möglich gewesen, ein Attentat zu verüben.«
    Elane keuchte vor Fassungslosigkeit. »Sie sind schuld am Tod meines Vaters?« Ihre Stimme klang hoch und schrill. »Der Tod des Mannes, den ich für meinen Vater gehalten habe«, korrigierte sie sich rasch, denn Elane war nie die wahre Thronerbin gewesen. »Adoran hat mich jahrelang in dem Glauben gelassen, er sei mein leiblicher Onkel! Ich habe am Grab meiner Eltern getrauert.« Tränen traten in ihre Augen. »Ich hätte Königin sein sollen.« Ihre Stimme brach.
    »Ja, mit einem Tyrannen als Mann! Der dich und die Welt befehligt.«
    Elane ignorierte Kjorens Einwurf. Jetzt wirkte sie wieder wie ein Mädchen, das einer verlorenen Puppe hinterherweinte. Sie schluchzte und jaulte.
    Ein dumpfer Knall ließ sie zusammenzucken. Kjoren hatte mit der Faust gegen die Wand geschlagen. »Hör auf zu heulen und lass den alten Mann seine Geschichte erzählen!«, sagte er ein wenig zu laut.
    Sofort herrschte wieder Stille im Salon. Er hätte einen guten Befehlshaber abgegeben.
    »Erzählen Sie weiter«, sagte Kjoren an seinen Vater gewandt. Dieser blickte unsicher von einem Gesicht zum nächsten und atmete tief ein, als müsste er erneut Mut sammeln.
    »Nun, jedenfalls hatten wir uns nach Jahren ein nettes Geheimbündnis aufgebaut«, fuhr er nach einigen Augenblicken des Schweigens fort. »Wir nannten uns die Befreier. Zu uns zählten nicht nur Firunen, auch ein paar Valanen haben sich auf unsere Seite geschlagen.« Er schnaubte kurz und stieß ein Lachen aus. »Wie dumm wir waren! Etliche von uns hat man gefasst, manche haben sie getötet, anderen, denen sie nichts nachweisen konnten, wurde auferlegt, ihre erstgeborenen Söhne zur Armee der Valanen zu schicken. Das traf viele härter als der Tod.«
    »Ach du Scheiße«, platzte es aus Kjoren heraus. »Kannten Sie etwa meinen Vater? Sein Name ist Svorolf.«
    »Natürlich kannte ich ihn. Aber ich habe seit Jahrzehnten nichts von ihm gehört. Er lebte damals zurückgezogen auf Ona.«
    »Ich gehöre zufällig zu jenen

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