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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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vorbildlichen überdeckt wurden.
    Die folgende Nacht zermürbte sie weiter. Sie suchten Unterschlupf in einer Mulde im offenen Grasland. Die Senke hielt den Wind weitgehend fern, doch mitten in der Nacht begann es zu regnen. Die gesamten Stunden in der Dunkelheit froren sie entsetzlich, nass bis auf die Haut.
    Bei den ersten Anzeichen des klaren Tages marschierten sie weiter, um sich warmzulaufen und nach einem weiteren Tag erreichten sie die ersten Ausläufer von Valana. Vereinzelte Bauernhöfe zeugten von zunehmender Zivilisation. Schon bald gab es keine Möglichkeit, als die Straßen zu benutzen wie normale Reisende. Es war zu gefährlich, über die Felder fremder Bauern zu spazieren, denn nicht selten endete das mit einer bösen Schusswunde.
    Es war eine Wohltat für die Füße, endlich wieder eine geebnete Straße unter den Sohlen zu spüren. Sie kamen nun auch wesentlich schneller voran. Wenn sich jemand an zwei fremden Vagabunden störte, die in hässlicher Kleidung durch die Bauernschaften zogen, so ließ es sich zumindest niemand anmerken. Gelegentlich ernteten sie abfällige Blicke, doch es gelang ihnen ohne Zwischenfälle, die Vororte von Valana zu passieren. Die Straßen lagen beinahe ausgestorben zwischen den Anwesen, nur sehr wenige Karren und Kutschen rappelten über das Pflaster. Die Fensterläden der meisten Häuser waren geschlossen. Wenn sich ein Bürger außerhalb seiner vier Wände zeigte, so schien er es grundsätzlich sehr eilig zu haben. Elane lief ein Schauder über den Rücken. In den wenigen Tagen, seit sie mit der königlichen Kutsche in umgekehrter Richtung hier vorbeigekommen war, hatte sich die Stimmung grundlegend geändert. Das Misstrauen der Bürger lag wie eine giftige Wolke in der Luft und verpestete die Atmosphäre. Früher erfüllte die Straßen der Duft frisch gebackenen Brotes, die Leute grüßten und Kinder hatten auf den Gehsteigen gespielt. Jetzt schien es, als seien die Bewohner nicht mehr daran interessiert, Bekanntschaft mit Fremden zu machen oder mit dem Nachbarn zu plauschen.
    Elane fühlte Blicke im Nacken prickeln. Sie hatte kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, eine Schenke aufzusuchen und um einen Unterschlupf für die Nacht in den Ställen zu bitten, doch hier konnte man nicht mit Freundlichkeit und Nächstenliebe rechnen. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als eine weitere Nacht im Freien zu verbringen. Sie dankten dem b armherzigen Gott, dass es nicht regnete, jedoch zog wieder einmal die bittere Kälte bis ins tiefste Innere. Sie schliefen dicht beieinander, und Elane empfand tiefes Unbehagen. Als Kjoren noch bei ihnen gewesen war, hatte sie die Enge nie gestört. So sehr sie sich auch bemühte, in Leroy mehr als das Werkzeug zu sehen, das Jaham vom Thron stoßen würde, wollte es ihr nicht gelingen. Sie mochte ihn, aber es fiel ihr schwer, ehrliche Sympathie für den Mann zu empfinden, dessen Existenz an ihrer Misere schuld war. Elane erfüllte Scham. Sie durfte nicht zulassen, dass Trotz und Wut die Oberhand gewannen und noch weniger durfte sie ein anderes, zutiefst verstörendes Gefühl zulassen. Sie mochte Kjoren leider viel zu sehr. Es hatte keinen Sinn, dies noch länger vor sich selbst zu verleugnen. Es war schändlich, sogar verboten. Ein Firune und eine Valanin … unmöglich! Noch vor wenigen Wochen hätte sich Elane vor Ekel übergeben müssen, wenn sie nur darüber nachgedacht hätte, sich ein Nachtlager mit einem Firunen zu teilen. Jetzt sehnte sie sich sogar danach ...

    *
    Einen Tag später erreichten sie die Tore von Valana. Leroy hatte mehr als einmal seine Bedenken geäußert, man könne nach ihnen suchen und sie festnehmen, er hatte Elane damit regelrecht in den Ohren gelegen, bis sie sich beinahe vergessen und ihm eine Ohrfeige verpasst hätte. Doch seine Angst schien vollkommen unbegründet. In der Stadt herrschte ein heilloses Durcheinander. Wachen bemühten sich, die hinausdrängenden Valanen und Firunen, die die Stadt verlassen wollten, zu kontrollieren. Die meisten wies man ab oder zwang sie sogar mit einem Gewehrschuss, kehrtzumachen. Alles drängte hinaus, kaum jemand wollte hinein. Der Strom in diese Richtung sah verstörend dünn aus.
    Kaum hatten sie das Tor passiert, wurden sie im dichten Gedränge herumgeschubst, angepöbelt und angespuckt. Sie verloren sich aus den Augen, und es dauerte zahllose Minuten, ehe Elane Leroys dunklen Haarschopf in einer Menge aufgebrachter Firunen entdeckte. Sie verschaffte sich mit den Ellenbogen

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