Jenseits des Windes
Stadt schleusen, doch was nutzt es Ihnen?«
Der Firune kam einen Schritt näher und sprach noch leiser. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken, wir haben eine viel bessere Reisemethode als die hässlichen Luftschiffe der Valanen zu benutzen.«
Leroys Stirnfalten vertieften sich, sein Gesicht lief rot an und seine Augen funkelten zornig. »Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen. Und ich hoffe, Sie wissen, dass Ihr Vorhaben mit dem Tod bestraft wird.«
Der Mann machte eine beschwichtigende Geste. »Nun schreien Sie doch bitte nicht so laut! Es muss doch keiner mitbekommen. Wenn Sie uns aus der Stadt heraushelfen, bringen wir Sie nach West-Fenn. Nehmen Sie an oder lehnen Sie ab.«
Elane zog Leroy am Ärmel. »Wir wären doch ohnehin nicht hiergeblieben«, flüsterte sie ihm zu. »Zu verlieren haben wir nichts.«
Leroy knurrte nur.
Wenige Minuten später machte sich Elane mit zwei Firunen und einem betreten dreinblickenden Leroy im Schlepptau auf den Weg zum östlichen Stadttor. Sie erfuhr, dass der Mann Ibrik hieß, und seine Frau Lotta. Sie hatte hinter einer Hausecke gewartet und bedankte sich überschwänglich bei Elane für das Tauschgeschäft. Lotta hatte ein hübsches Gesicht. Ihre hellen Haare flatterten im Wind.
Leroy murrte nicht mehr. Er hatte endlich eingesehen, dass sie nach jedem Strohhalm greifen mussten, den man ihnen bot. Nachdem sie ihn auch noch daran erinnerte, wie sein Vater ihn angefleht hatte, dem Terror ein Ende zu setzen, waren ihm endgültig die Argumente ausgegangen. Elane schmunzelte in sich hinein. Leroy hatte ein gutes Herz, auch wenn er immer behauptete, das Schicksal der Firunen sei ihm gleichgültig.
Tatsächlich wachte die Garde am Osttor nachlässig. Immer wieder schlüpften Bürger durch die gewaltsame Zurückdrängung hindurch. Elane hatte mit heftiger Gegenwehr gerechnet, immerhin hatte sie gesehen, wie die Soldaten am Nachbartor auf Firunen schossen, die die Stadt verlassen wollten. Hier am Osttor war man reisenden Valanen in Begleitung ihrer firunischen Leibeigenen anscheinend nach wie vor wohlgesinnt, denn nach einer kurzen Befragung ließen die Wachen sie passieren.
Ibrik führte sie recht bald hinter den Toren der Stadt von der Hauptstraße hinunter. Er folgte einem schmalen Trampelpfad, der querfeldein durch einen Wald führte und auf der anderen Seite wieder daraus hervortrat. Sie befanden sich auf offenem Grasland, über das der stetig wehende Wind unerbittlich hinwegfegte. Nur einen Steinwurf entfernt und hässlich wie ein Rotweinfleck auf einer weißen Tischdecke gab es einen Geröllhaufen, der neben Steinen auch allerhand Schutt und Bretter barg. Vermutlich war es eine illegale Müllabladestelle. Der Haufen verdarb den schönen Blick über die Landschaft. Sie gingen geradewegs darauf zu.
Eine Krähe saß auf einem alten Blechfass und beäugte jeden ihrer Schritte. »Flieg nach Hause, hier gibt es nichts mehr zu sehen«, sagte Ibrik. Ein Scherz, doch keiner lachte. Elane riss jedoch die Augen auf, als die Krähe sich tatsächlich in die Lüfte erhob und in den Baumwipfeln verschwand.
Hinter dem Müllberg, gut vor den Blicken etwaiger Bauern oder Wanderer verborgen, stand ein kleiner Planwagen. Die besten Jahre lagen bereits in der Vergangenheit, die Räder waren rostig und erweckten nicht den Anschein, als würden sie einen weiten Weg über unwegsames Gelände überstehen. Elane ging näher an den Wagen heran und spähte unter die Plane. Jemand hatte mehrere Pakete sorgfältig verschnürt auf der Ladefläche befestigt.
»Ein Vetter hat uns den Wagen hierher bringen lassen«, sagte Ibrik. »Es ist nicht viel, aber für eine Reise von weniger als einer Woche reicht der Proviant. Mein Vetter ist ein guter Kerl. Wir haben uns bis zuletzt Briefe geschrieben. Bis, nun ja, bis die Valanen angefangen haben, unsere Post zu öffnen.«
Leroy ging einmal um das schrottreife Fuhrwerk herum und begutachtete es wie ein Pferd auf dem Viehmarkt. Sein abschätziger Blick blieb niemandem verborgen.
»Und Sie sind sicher, dass dieses Ding nicht ebenfalls auf die Müllhalde gehört?«, fragte er. »Ibrik, wenn Sie uns auf den Arm nehmen wollen, dann verschwenden Sie Ihre Zeit. Mich würde interessieren, wie Sie damit nach West-Fenn gelangen wollen.«
Ibrik machte eine beschwichtigende Geste. Seine Frau Lotta, die die ganze Zeit über schweigend neben ihm hergegangen war, senkte den Blick.
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass wir keine konventionelle Reisemethode
Weitere Kostenlose Bücher