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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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Platz, bekam Leroys Ärmel zu fassen und zerrte ihn hinter sich her in eine Nebenstraße. Schüsse fielen, jemand schrie. Der Lärm dröhnte ohrenbetäubend.
    »Was ist denn hier los?« Leroy schnappte nach Atem. Er beugte sich nach vorn und stützte die Hände auf die Knie. Sein Äußeres war noch immer schwer gezeichnet von dem Giftanschlag.
    »Wenn ich das bloß wüsste. Noch vor wenigen Wochen herrschten hier Sitte und Anstand.«
    Sie machten sich rasch auf den Weg zum Hafen und versuchten, sich von dem Schock zu erholen und sich ihrem Vorhaben zu widmen. Der Wind trug den Gestank von Müll, Aas und Kot durch die Gassen. Elane würgte mehrfach und hielt sich die Hand vor den Mund. Mehrmals kreuzten Soldaten ihren Weg. Anfangs hatte Leroy jedes Mal den Kopf gesenkt, wenn er irgendwo eine Uniform aufblitzen sah, doch schon bald gab er es auf. Es waren einfach zu viele Soldaten, außerdem kümmerte sich keiner um zwei herumstreunende Valanen. Sie schienen voll und ganz damit ausgelastet zu sein, pöbelnde und randalierende Firunen zur Ordnung zu rufen. Elane war sich nie darüber bewusst gewesen, wie viele von ihnen in Valana lebten.
    Im Rinnstein lagen mehrere Metallhalsbänder. Elane schluckte. Das hatte Jaham nun von seinem Ehrgeiz! Ein Gefühl von alles verschlingender Angst breitete sich in ihr aus wie ein Geschwür. Zugleich erwachte Wut, gepaart mit dem Willen, diesem Albtraum ein Ende zu bereiten. Sie beschleunigte ihre Schritte, Leroy folgte ihr anstandslos.
    Schon von Weitem erblickte Elane das riesige Luftschiff, das im Hafen vor Valana vor Anker lag. Erleichterung stieg in ihr auf. Doch zum ersten Mal teilte sie Leroys Sorge, dass man sie vermutlich nicht an Bord lassen, geschweige denn nach West-Fenn fliegen würde. Wenn sie geahnt hätte, dass die Situation in Valana beinahe dieselbe war wie in Budford, hätte sie sich den weiten Weg hierher wahrlich sparen können.
    Es grenzte an ein Wunder, dass die »Wind I« noch unversehrt an der Kaimauer ruhte. Es hätte Elane weniger erstaunt, wenn sie in Brand geraten oder von wilden Firunen geentert worden wäre. Sie rang ihre Bedenken nieder und steuerte geradewegs auf den Anlegesteg zu. Sie drängte sich mit Leroy durch das Getümmel an der Kaimauer.
    Auf einmal versperrten ihr Soldaten den Weg. Sie ließen niemanden auf den Steg, der zum Schiff führte. In den Händen hielten sie in der Sonne blitzende, frisch angespitzte Piken, die sie rücksichtslos gegen die herandrängende Meute verwendeten. Hinter ihnen schrie jemand: »Verzieht euch! Ihr seid so nutzlos wie ein Haufen Dreck!« Eine andere Stimme rief: »Zerstört das Schiff!« Daraufhin stürmte einer der Soldaten los, stach sich mit dem Speer einen Weg durch die Menge und ging auf den Mann los, der gerufen hatte. Elane wandte den Kopf. Ein einfacher unbewaffneter Bauer. Trotzdem holte der Soldat mit der Waffe aus und stieß nach vorn. Der Bauer schaffte es gerade eben, sich durch einen Sprung zur Seite davor zu bewahren, von der eisernen Spitze durchbohrt zu werden. Die Wachen gingen ohne Skrupel vor. Elane schnürte es die Kehle zu. Mut und Tatendrang sickerten aus ihr heraus wie Wasser durch einen undichten Eimer. Sie drehte sich um und sah Leroy Hilfe suchend in die Augen, doch er zuckte nur die Achseln. Sein Blick verriet, dass er sich ohnehin keine Hoffnung machte, an Bord des Schiffes zu gelangen. Von ihm hatte sie keine Unterstützung zu erwarten. Sie wandte sich nach vorn, sammelte all ihren Mut und sprach einen der stocksteif auf der Kaimauer stehenden Soldaten an.
    »Entschuldigen Sie, Sir.« Keine Reaktion, nicht einmal ein Augenzucken. Elane sprach lauter: »Sir, ich möchte Sie etwas fragen.«
    Die Augen des Soldaten wanderten zu ihr herüber. Er hob eine Braue. »Ist das jetzt eure neue Masche? Freundlichkeit?«
    »Wie bitte? Ich fürchte, ich verstehe nicht, was Sie meinen.« Elane gab sich alle Mühe, ein freundliches Gesicht zu machen und wie eine vornehme Dame zu klingen, dabei sah sie in ihren Leinenlumpen wohl alles andere als elegant aus. Auf den Soldaten mussten ihre gewählten Worte und das dazu unpassende Auftreten wie eine Parodie wirken. Beschämt senkte sie den Blick.
    »Erst spucken die Bauern uns an und jetzt versuchen sie es mit höflichen Fragen, pah!« Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln.
    Elane ging über seinen Kommentar hinweg. »Bewachen Sie das Schiff?«
    »Allerdings, das tue ich. Und das aus gutem Grund, wie Sie vielleicht bemerkt

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