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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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anwenden«, sagte Ibrik.
    Allmählich beschlich Elane ein ungutes Gefühl. Sie wusste, was unweigerlich geschehen würde.
    »Sie haben also allen Ernstes vor, aus eigener Kraft nach West-Fenn zu fliegen? Ich hatte angenommen, Sie scherzen.« Leroys Tonfall offenbarte seine Skepsis.
    Ibrik kniff die Lippen aufeinander und scharrte mit der Fußspitze im Sand, als sei er ein Kind, das man gerade bei einem Streich erwischt hatte. »Das haben Sie richtig erkannt. Es gibt aber leider noch ein Problem.«
    Leroy knurrte. »Jetzt sagen Sie bloß, wir seien zu schwer.«
    »Nein, nein, das ist es nicht. Zumindest hoffe ich das.« Ibrik fasste sich mit der Hand an sein Halsband aus Bluteisen. »Wir bekommen die Dinger nicht runter. Die Valanen haben kürzlich angefangen, die Halsbänder mit einem Schloss zu verschließen. Sie tragen nicht zufällig eine Feile bei sich?«
    Bevor Leroy abermals unhöflich werden konnte, mischte sich Elane ein. »Wir brauchen keine Feile. Natürlich bekommen wir die Dinger auch so von Ihrem Hals.« Elane glaubte kaum, was sie soeben gesagt hatte. Nie hätte sie auch nur zu träumen gewagt, solch krumme Geschäfte mit einem Firunen zu machen. Und was das Schlimmste war, sie bereute es nicht. Sie hatte alles verloren, was ihr wichtig gewesen war. Ein sorgenfreies Leben, eine Familie, und nicht zuletzt auch Jonneth, wenn er auch letztlich nicht der liebende Mann war, den sich Elane erträumt hatte. Was hatte sie zu verlieren?
    Sie winkte Leroy zu sich, der murrend an ihre Seite trat. Dann bat sie Ibrik, näher zu kommen. Der Firune zögerte nicht.
    »Ich möchte, dass du es mal versuchst«, sagte sie zu Leroy.
    »Was?«, fragte er patzig und ließ keinen Zweifel darüber offen, wie wenig Interesse er an ihrem Vorhaben hatte. Leroy hatte in den letzten Tagen eine erstaunliche Wandlung erfahren. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit hatten ihre Spuren bei dem sonst schüchternen Valanen hinterlassen. Weshalb war er nur derart verbittert?
    »Du kannst das Schloss öffnen. Das Mal an deinem Arm befähigt dich dazu, Metall zu bewegen. Also kannst du auch ein Schloss öffnen.«
    »Das Mal? Sprechen Sie von dem Magischen Mal der Königsfamilie?« Ibriks Mimik sprach von freudiger Verwunderung. »Bei den Göttern der Lüfte, das nenne ich einen wunderbaren Zufall! In welchem Verhältnis stehen Sie zur Königsfamilie? Sie werden uns doch nicht verraten?« Ein seltsam schelmisches Grinsen und ein wissender Glanz in seinen Augen ließen Elane einen Augenblick stutzig werden.
    »Wir stehen in keinem Verhältnis mehr zur Königsfamilie. Wir wurden verstoßen«, sagte sie schließlich und machte eine Handbewegung, die keinen Zweifel offen ließ, dass sie nicht darüber diskutieren wollte.
    Ibrik nickte und ließ die Sache zum Glück auf sich beruhen.
    Elane benötigte eine gehörige Portion Überredungskunst, um Leroy endlich dazu zu bewegen, sich an der Öffnung des Schlosses zu versuchen. Sie erklärte ihm im Eilverfahren, wie er seine Konzentration bündeln musste, um ohne Schlüssel ein Schloss zu öffnen. Er bemühte sich ein paar Mal, aber es hatte keinen Zweck. Nichts bewegte sich. Es knisterte nicht einmal. Leroy wandte sich ab und setzte sich mit verschränkten Armen auf den Rand des Planwagens. Er beobachtete sie missmutig, wie sie die Schlösser mit nur einem Fingerschnippen öffnete. Ibrik und Lotta nahmen ihre Halsbänder ab und schleuderten sie weit von sich weg in ein Dornengebüsch.
    »Ich danke Ihnen sehr«, sprach Lotta einen ihrer wenigen Sätze mit leiser Stimme. Elane nickte. Sie fühlte sich schlecht, obwohl sie augenscheinlich etwas Gutes getan hatte.
    »Ich schlage vor, dass wir uns auf den Weg machen«, sagte Ibrik und klatschte in die Hände. »Vor Einbruch der Dunkelheit werden wir nicht mehr weit kommen, aber ich möchte von dieser Stadt so weit wie möglich entfernt sein. Ich kann den Gestank noch immer riechen.«
    Ibrik bat Elane und Leroy, auf dem Wagen Platz zu nehmen. Er kramte in einer der Kisten, die auf der Ladefläche standen, und zog schließlich etwas daraus hervor, das wie ein Knäuel aus Lederriemen aussah. Als er ihn entwirrt hatte, erkannte Elane, dass es zwei Geschirre waren, vermutlich ein Zaumzeug, das jemand speziell zu diesem Zweck geändert hatte. Sie rutschte nervös neben Leroy hin und her als Ibrik begann, Lotta das Geschirr anzulegen und sich schließlich selbst in eines hineinzwängte. Die beiden boten einen grotesken Anblick.
    »Entschuldigen Sie, dass ich

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