Jenseits von Afrika
nun eine kurze Spanne des Glücks und der Fülle genoß; aber es hielt nicht vor, und sein friedliches Dasein auf der Farm ging an der neuen Frau in die Brüche. Einen Monat nach der Hochzeit lief sie ihm davon zu den Eingeborenensoldaten in der Kaserne von Nairobi. Es kam eine Zeit, da Esa öfters um einen freien Tag bat, um in die Stadt zu gehen und sie zurückzuholen, und abends mit dem widerspenstigen schwarzen Geschöpf wieder heimkam. Das erste Mal war er recht zuversichtlich und guter Dinge, er werde es ihr schon zeigen, sie solle sich nichts einbilden, sie sei doch seine gesetzliche Frau. Die späteren Male zog er verwirrt und traurig aus, seine Träume und das holde Lächeln des Glücks zu suchen. »Wozu willst du sie denn wiederhaben, Esa?« fragte ich ihn. »Laß sie doch laufen, sie will nicht wieder zu dir zurück, daraus kann nie etwas Gutes werden.« Aber Esa brachte es nicht fertig, sie laufenzulassen. Schließlich setzte er seine Lebensansprüche herab, es war nur noch der Geldwert der Frau, den er nicht verlorengeben wollte. Die anderen Boys lachten ihn aus, wenn er davontrabte; sie erzählten mir, daß auch die Soldaten sich über ihn lustig machten. Aber Esa hatte nie viel darauf geachtet, was andere Menschen von ihm hielten; jetzt war er jedenfalls darüber hinaus. Er ging unentwegt und unbeirrt immer wieder in die Stadt, um sein letztes Besitztum heimzubringen, wie ein Mann, der auszieht, eine verlorene Ziege zu suchen.
Eines Morgens teilte Fatuma meinem Hausboy mit, Esa sei krank und könne heut nicht kochen, aber morgen werde er wieder aufstehen, meinte sie. Am späten Nachmittag kamen die Leute zu mir und erzählten, Fatuma sei verschwunden, und Esa sei vergiftet und liege im Sterben. Als ich hinkam, hatten sie ihn in seinem Bett auf den Platz zwischen den Gesindehütten herausgetragen. Es war offenkundig, daß er nicht mehr lange zu leben hatte. Er hatte irgendein einheimisches Gift, eine Art Strychnin, geschluckt und muß in seiner Hütte unter den Augen seines mörderischen jungen Weibes entsetzliche Qualen gelitten haben, bis sie sicher war, daß sie ihn erledigt hatte, und sich davonmachte. Zuweilen zog sich sein Körper noch unter Krämpfen zusammen, sonst war er kalt und steif wie eine Leiche. Sein Gesicht war völlig verändert, Speichel, mit Blut vermischt, rann aus seinem bläulichblassen Mund. Farah war mit dem Auto in die Stadt gefahren, ich konnte also Esa nicht ins Krankenhaus bringen; aber ich glaube, ich hätte es ohnehin nicht getan, denn es gab für ihn keine Hilfe mehr.
Bevor er starb, schaute mich Esa lange Zeit an, aber ich weiß nicht, ob er mich erkannte. Mit dem Bewußtsein schwand aus seinen dunklen Tieraugen das Bild seiner Heimat, die ich so gern noch hätte sehen mögen, als sie noch war wie eine Arche Noah mit lauter wilden Tieren rings um den kleinen schwarzen Buben, der auf der Steppe die Herden seines Vaters hütete. Ich faßte seine Hand, eine gute Menschenhand, ein starkes, kundiges Werkzeug, das Waffen getragen, Gemüse und Blumen gepflanzt und geliebkost, das ich gelehrt hatte, Eierkuchen zu backen. Ob Esa selbst sein Leben für einen Erfolg oder einen Fehlschlag gehalten hätte? Es war schwer zu sagen. Er war seinen eigenen langsamen, gewundenen Pfad gegangen und hatte viel erfahren, sein Lebtag ein Mann des Friedens.
Als Farah heimkam, war er gleich sehr besorgt, Esa mit allem orthodoxen Zeremoniell begraben zu lassen, denn er war ein frommer Mohammedaner gewesen. Der Priester, der von Nairobi geholt werden mußte, konnte nicht vor dem nächsten Abend dasein, so daß Esas Beerdigung nachts vor sich ging; am Himmel leuchtete die Milchstraße, und im Begräbniszug wurden Laternen getragen. Sein Grab wurde unter einem großen Baum im Walde nach mohammedanischem Brauch gerichtet. Mariammo trat nun wieder aus dem Dunkel hervor und nahm ihren Platz unter den Leidtragenden ein; ihre Klage um Esa tönte laut in die nächtliche Stille.
Farah und ich hielten Rat darüber, was wir mit Fatuma tun sollten. Wir beschlossen, nichts zu tun. Schließlich hatte ja Fatuma kein leichtes Schicksal zu tragen gehabt, sie sollte nun sehen, wie sie es zu Ende lebte in den Baracken von Nairobi.
Die Eingeborenen und die Geschichte
Menschen, die erwarten, daß die Eingeborenen einen kecken Sprung aus der Steinzeit in die Epoche der Motorräder vollführen, vergessen all die Mühe und Arbeit, die es unsere Väter gekostet hat, uns durch die Zeiten der Vergangenheit dahin zu
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