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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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bringen, wo wir sind.
    Wir können Motorräder und Flugzuge machen und den Schwarzen beibringen, wie man mit ihnen umgeht. Aber echte Liebe zu Motorrädern läßt sich dem menschlichen Herzen nicht im Handumdrehen einflößen, dazu bedarf es der Jahrhunderte, und man kann wohl sagen, daß Sokrates und die Kreuzzüge und die Französische Revolution nötig waren, um sie hervorzubringen. Wir Heutigen lieben unsere Maschinen, wir können uns nicht recht vorstellen, wie die Menschen in alter Zeit ohne sie gelebt haben. Aber das Athanasianische Glaubensbekenntnis oder den Aufbau einer Messe könnten wir nicht schaffen, auch nicht den Aufbau einer Tragödie in fünf Akten oder auch nur eines Sonetts. Hätten wir diese Dinge nicht fertig vorgefunden, müßten wir uns ohne sie behelfen. Wir müssen uns heute, da wir sie besitzen, klarmachen, daß es eine Zeit gegeben hat, in der das Herz der Menschen sich nach ihnen sehnte, und ein glühender Wunsch in Erfüllung ging, als sie geschaffen wurden.
    Pater Bernhard kam eines Tages auf seinem Motorrad zum Frühstück zu mir herüber; sein bärtiges Gesicht strahlte vor Stolz und Seligkeit, denn er hatte eine große Freude zu verkünden. Tags zuvor, erzählte er, waren neun junge Kikuju von der schottischen Mission zu ihm gekommen und hatten gebeten, in die katholische Kirche aufgenommen zu werden. Sie seien durch Betrachtungen und Gespräche so weit gekommen, die Lehre der Kirche von der Wandlung anzuerkennen. Meine Bekannten, denen ich von dem Vorfall erzählte, lachten über Pater Bernhard und behaupteten, die jungen Kikuju hätte wohl die Aussicht auf höhere Löhne oder leichtere Arbeit gelockt oder der Besitz eines Fahrrades, um zur französischen Mission radeln zu können; zu diesem Zweck hätten sie ihre Bekehrung zur Lehre von der Wandlung ausgedacht. Wir selber, sagten sie, verstehen die Lehre nicht und denken lieber nicht über sie nach, da muß sie doch den Kikuju ganz und gar unbegreiflich sein. Ich bin aber nicht so sicher, daß dem so ist, denn Pater Bernhard kannte die Kikuju gut. Vielleicht bewegt sich der Geist der jungen Kikuju heute auf den dämmerigen Pfaden unserer eigenen Ahnen, die wir vor ihnen nicht verleugnen sollten. Die hielten die Lehre von der Wandlung hoch in Ehren. Den Menschen von vor fünfhundert Jahren sind zu ihrer Zeit hohe Löhne und Beförderungen und ein bequemes Dasein, ja, bisweilen ihr Leben selbst versprochen worden, aber ihr Glaube an die Wandlung war ihnen mehr wert als dergleichen. Man hat ihnen freilich kein Fahrrad angeboten, aber der Pater Bernhard selbst, der ein Motorrad besaß, legte weniger Wert darauf als auf die Bekehrung der neun Kikuju.
    Die modernen Weißen in Afrika glauben an Evolution und nicht an einen plötzlichen Schöpfungsakt. Sie könnten sehr wohl den Schwarzen einen praktischen Lehrgang der Geschichte vermitteln, um sie auf die Stufe zu bringen, auf der wir uns befinden. Wir haben die Völker vor vierzig Jahren übernommen; setzen wir diesen Zeitpunkt gleich dem Geburtsjahr des Herrn und geben wir ihnen zum Nachholen fünf Jahre für je hundert, dann dürfte es jetzt Zeit sein, den heiligen Franz von Assisi zu ihnen zu schicken und einige Jahre später Rabelais. Sie würden beide besser würdigen, als wir heute es tun. Aristophanes gefiel ihnen gut, als ich vor einigen Jahren versuchte, ihnen den Dialog zwischen dem Bauern und seinem Sohn aus den »Wolken« zu übersetzen. Nach fünfundzwanzig Jahren wären sie reif für die Enzyklopädisten, und nach weiteren zehn Jahren käme ein Kipling dran. Wir würden ihnen alle Träumer, Philosophen und Dichter vorsetzen, um den Boden zu bereiten für Henry Ford.
    Wo werden wir dann sein? Werden wir sie inzwischen beim Schwanz fassen und uns ins Schlepptau nehmen lassen und einem Schatten nachjagen, irgendeiner Finsternis, und uns üben, die magische Trommel zu schlagen? Werden sie dann unsere Motorräder zum Selbstkostenpreis von uns beziehen, so wie sie heute unsere Lehren beziehen?

Das Erdbeben
    Einmal, um die Weihnachtszeit, hatten wir ein Erdbeben; es war so stark, daß ein paar Eingeborenenhütten einfielen, was etwa der Kraft eines zornigen Elefanten entspricht. Es kam in drei Stößen, jeder dauerte einige Sekunden, mit Pause von einigen Sekunden dazwischen. In den Pausen hatten die Menschen Zeit, sich klarzumachen, was geschah.
    Denys Finch-Hatton, der damals auf der Fahrt im Massaireservat war und auf seinem Lastauto schlief, erzählte mir später, als er beim

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