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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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der Raubtiere, seien die Hirscharten die unberechenbarsten; man könne wohl einem Leoparden trauen, wer aber einem Bock traue, dem würde er früher oder später in den Rücken fallen.
    Lulu blieb der Stolz des Hauses, auch als sie sich wie eine richtige schamlose Kokotte benahm, aber ihr Glück fand sie bei uns nicht. Zuweilen wanderte sie stundenlang, ganze Nachmittage lang, vom Hause fort. Zuweilen, wenn der Geist sie überkam und ihr Mißvergnügen an der Umwelt ihren Höhepunkt erreichte, vollführte sie, um ihrem Herzen Luft zu machen, auf der Wiese vor dem Hause einen Kriegstanz, der aussah wie ein Zickzack-Stoßgebet an Satan.
    Oh, Lulu, dachte ich, ich weiß, daß du wunderbar stark bist und daß du höher springen kannst, als du hoch bist. Du zürnst uns jetzt, du wünschst, wir wären alle tot, und das wären wir auch, wenn wir dich reizen wollten, dein Mütchen an uns zu kühlen. Aber das Schlimme ist ja nicht, wie du jetzt meinst, daß wir dir Hindernisse in den Weg stellen, die du nicht überspringen kannst – und wie sollten wir das auch vermögen, du große Springerin? Das Schlimme ist, daß wir dir gar keine Hindernisse aufrichten. Die große Kraft ist in dir, Lulu, und die Hindernisse sind auch in dir – nur ist die Zeit noch nicht erfüllt, das ist das Ganze.
    Eines Abends kam Lulu nicht heim, und wir sahen vergebens nach ihr aus, eine Woche lang. Das war ein harter Schlag für uns alle. Ein heller Klang hatte das Haus verlassen, und es war nur noch ein Haus wie andere Häuser. Ich mußte an die Leoparden am Fluß denken und sprach eines Abends über sie mit Kamante.
    Wie gewöhnlich ließ er einige Zeit verstreichen, ehe er antwortete, um meine mangelnde Einsicht auszukosten. Erst nach einigen Tagen brachte er das Gespräch wieder darauf: »Du glaubst, daß Lulu tot ist, Msabu«, sagte er.
    Ich wollte das nicht so geradezu aussprechen, aber ich sagte ihm, ich machte mir Gedanken darüber, daß sie nicht heimkomme.
    »Lulu ist nicht tot«, sagte Kamante. »Sie ist verheiratet.«
    Das war eine freudige Überraschung, und ich fragte ihn, woher er das wisse.
    »O ja«, sagte er, »sie ist verheiratet. Sie lebt im Walde mit ihrem Bwana – ihrem Gatten oder Herrn. Aber sie hat die Menschen nicht vergessen, morgens kommt sie meistens ans Haus. Ich streue hinter der Küche Mais für sie aus, und da kommt sie, grad bevor die Sonne aufgeht, vom Walde herüber und ißt davon. Ihr Bwana kommt mit, aber er hat Angst vor den Menschen, weil er sie nie kennengelernt hat. Er steht unter dem großen weißen Baum am anderen Ende der Wiese. Aber bis zum Hause wagt er nicht zu kommen.«
    Ich sagte Kamante, er solle mich das nächste Mal holen, wenn er Lulu sähe. Ein paar Tage später kam er vor Sonnenaufgang herein und rief mich.
    Es war ein schöner Morgen. Die letzten Sterne verblaßten, während wir warteten, der Himmel war klar und heiter, aber die Welt, in die wir hinaustraten, lag in düsterer Stille und tief im Schweigen. Das Gras war feucht, unten bei den Bäumen, wo der Boden sich senkte, glitzerte es im Tau wie mattes Silber. Die Morgenluft war kalt, von jener zwickenden Kälte, die einem in nördlichen Ländern sagt, daß der Frost nicht fern ist. Sooft man es auch erlebt, dachte ich, immer wieder ist es in dieser schattigen Kühle unvorstellbar, daß die Glut der Sonne und der Glanz des Himmels nach wenigen Stunden kaum zu ertragen sein werden. Der graue Nebel lag auf den Bergen, ihre Gestalt auf seltsame Art verwischend; es mußte für die Büffel, die jetzt vielleicht dort waren, bitter kalt sein, an den Berghängen zu grasen wie in einer Wolke.
    Die große Kuppel über unseren Köpfen füllte sich allmählich mit Helle, wie ein Glas sich mit Wein füllt. Plötzlich, unmerklich, fingen die Gipfel der Berge den ersten Sonnenstrahl auf und erglühten. Und langsam, wie die Erde sich der Sonne zuneigte, überzogen sich die Grasmatten am Fuß der Osthänge und die Wälder der Massai unter ihnen mit zartem Gold. Und jetzt leuchteten die hohen Baumwipfel in dem Walde auf unserer Seite des Flusses kupferrot auf. Das war die Stunde für den Flug der großen violettblauen Wildtauben, die jenseits des Flusses nisteten und zur Atzung in die Kapkastanien meines Waldes herüberkamen. Sie lebten hier nur eine kurze Zeit im Jahre. Die Vögel kamen überraschend schnell, wie eine leichte Kavallerieattacke in der Luft. Darum war die morgendliche Taubenjagd auf der Farm bei meinen Freunden in Nairobi so beliebt; um

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